Auszug:
D. Der Mensch und Arbeit in der Feinkeramischen Industrie des Arbeitsamtsbezirkes Jena.
2. Die örtlichen Teilarbeitsmärkte
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a) Der Eisenberger Teilarbeitsmarkt
Vor dem Weltkrieg (1912) waren in Eisenberg in fünf feinkeramischen Betrieben insgesamt 600 Arbeiter erwerbstätig. Heute sind in nur noch vier Betrieben (1) 400 Arbeiter beschäftigt (2).
Die Umwälzungen der Nachkriegszeit haben auch auf diesem örtlichen Teilarbeitsmarkt ein völlig verändertes Bild geschaffen. Die größtenteils auf Ausfuhr (Orientartikel) eingestellten Firmen mußten Betriebseinschränkungen vornehmen, die neben Betriebsstillegung (3) zu Verringerung der Belegschaften bis auf ein Drittel des Vorkriegsstandes führten. Die allgemein eingeführte Kurzarbeit überschritt kaum 36 Wochenstunden.
Eine wesentliche Besserung der Beschäftigungslage trat erst zu Anfang des Jahres 1934 ein. Bis zum Oktober dieses Jahres konnten die Belegschaften von insgesamt 382 Mitgliedern auf 400 erhöht werden, wobei die Ausnützung der in Frage kommenden Produktionsstätten im Durchschnitt etwa 60 - 70 v. H. (4) beträgt.
Bei den zur Zeit Beschäftigten überwiegt der Anteil der einheimischen Arbeitskräfte. Nur 10 v. H. kommen aus den umliegenden Ortschaften dieses ländlichen Bezirkes. Die ständige Pendelbewegung ist hier eine reine Land-Stadt-Bewegung. Die Anteile der Einheimischen und Auswärtigen waren dabei folgende:
männl.
weibl.
Sa.
%
Zeit:
Eisenberger . . . . . . . .
101
192
293
89
im Frühjahr 1934
142
208
350
89,5
im Herbst 1934
Auswärtige . . . . . . . .
16
19
35
11
im Frühjahr 1934
16
25
41
10,5
im Herbst 1934
Insgesamt . . . . . . . . .
117
211
328
100
im Frühjahr 1934
101
192
293
100
im Herbst 1934
Für die Arbeitsmarktweite des Eisenberger Teilarbeitsmarktes sind die Bahnen Gera - Zeitz und Crossen - Eisenberg - Bürgel - Jena ohne jeden Einfluß. Der Arbeitsmarktraum entspricht hier seiner Ausdehnung nach einer Kreisfläche von 14 km im Durchmesser (Mittelpunkt Eisenberg; s. Kartenskizze).
Unterteilt man die im Oktober 1934 Beschäftigten nach dem Geschlecht, dann ergibt sich:
Arbeiter:
Ledige
Verheiratete
Verwitwete
Ausländer
Summe
Anteil in %
26
(1)
127
(136)
3
2
158
40
Arbeiterinnen:
86
(18)
136
(52)
11
(2)
——
233
60
Gesamt:
112
(19)
263
(188)
14
(2)
2
391
100
Durch Vergleich der heutigen Beschäftigtenzahl mit der früherer Jahre findet man, daß das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Arbeitskräften in nur geringen Grenzen schwankt:
Arbeitskräfte
1913/14
Anzahl %
Frühjar 1934
Anzahl %
Herbst 1934
Anzahl %
August 1935
Anzahl %
August 1936
Anzahl %
Arbeiter . . . . . . . . . .
204
35
117
36
158
40
178
42,3
182
41,7
Arbeiterinnen . . . . . . .
234
42
211
64
233
60
243
57,7
254
58,3
Heimarbeiterinn. . . . . . .
130
23
——
——
——
——
——
——
——
——
Gesamt: . . . . . . . . . .
447
100
328
100
391
100
421
100
436
100
Die Ursache für diese unwesentlichen Abweichungen muß in der Eigenart der feinkeramischen Fertigung gesehen werden, bei der es in verschiedenen Fabrikationsabteilungen entweder nur ausgesprochene Männerarbeit (Tonmühle, Massemühle, Schmelze, Prüffeld) oder nur typische Frauenarbeit (Malerei, Druckerei, Glasiererei, Sortiererei) gibt. In den übrigen Produktionsabteilungen, wie sich ein ziemlich gleichbleibendes Verhältnis zwischen Männer- und Frauenarbeit ausgebildet. Seine Höhe ist in den Einzelbetrieben im wesentlichen durch die Art der herzustellenden Gegenstände bestimmt.
Teilarbeitsmarktraum Eisenberg
Altersgliederung
der in den vier feinkeramischen
Betrieben Eisenbergs Beschäftigten
der in der feinkeramischen Industrie
in Eisenberg Arbeitssuchenden
(Stand vom 1. Oktober 1934)
Das in den letzten Jahren eingetretene außerordentliche Absinken des Verkaufserlöses, besonders für die Erzeugnisse der Geschirr- und Luxusporzellanfabriken, zwang diese Werke, um die Gestehungskosten in jedem überhaupt möglichen Umfange senken zu können, zur billigeren Frauenarbeit überzugehen.
Die Altersgliederung der Beschäftigten wird durch ein Kurvenbild veranschaulicht. Nach ihm ist die 30jähre Arbeiterin und der 35jährige Arbeiter am stärksten vertreten.
Die Anzahl der unter 25 Jahre alten Beschäftigten im Sinne des Gesetzes für Arbeitsplatzaustausch (5) wurde zu 19 v. H. (6 v. H. männliche und 13 v. H. weibliche) der Gesamtbeschäftigten ermittelt. Bei den weiblichen jugendlichen Arbeitskräften handelt es sich fast ausschließlich um Lernende, deren Lehrgang im Interesse der Betriebe nicht unterbrechbar ist, oder um besonders angelernte Arbeiterinnen und um Facharbeiterinnen mit bestimmten Handfertigkeiten.
Für die letzten drei Jahre gelten folgende Zahlen:
Jahr
Gesamt-
belegschaft
davon
Jugendliche
in
%
männl.
in
%
weibl.
in
%
1934
391
74
19
23
6
51
13
1935
421
80
19
26
6,2
54
12,8
1936
436
91
21
28
6,5
63
14,8
Den 391 Beschäftigten standen nach dem Stand vom 1. Oktober 1934 noch 35 Arbeitssuchende (25 männliche und 10 weibliche) gegenüber. Beruflich waren davon nicht mehr tätig seit:
Jahr . . . . . . . . . . . . . .
1926
27
28
29
30
31
32
33
34
Sa.
männlich . . . . . . . . . . . .
2
1
1
2
3
4
5
3
4
25
weiblich . . . . . . . . . . . .
——
1
——
1
1
——
3
2
2
10
Gesamt: . . . . . . . . . . . .
2
2
1
3
4
4
8
5
6
35
Die fehlenden Zahlen konnten nicht ermittelt werden.
72 v. H. der männlichen Arbeitssuchenden haben eine dreijährige praktische Berufsausbildung durchgemacht; weit über die Hälfte (64 v. H.) sind bereits über 50 Jahre alt (6).
Abschließend sei noch bemerkt, daß die vielfach herrschende Ansicht, man habe es auf diesem Teilarbeitsmarkt mit einer ausgesprochenen Industrie der sogen. Thüringer Artikel zu tun, nicht zutrifft. Die hier seit durchschnittlich 70 Jahren heimische Porzellanindustrie stellt in der Hauptsache Gebrauchsgeschirr her. Erst daneben befaßt man sich mit der Herstellung von Thüringer Artikeln, die Konjunktur- und Saisonschwankungen besonders stark unterworfen sind (7).
Auch die Annahme, daß Stroh- und Zwiebelmuster (8), die noch heute die bevorzugten Unterglasurmuster in der Eisenberger Porzellanindustrie sind, von jeher der Angelpunkt dieser Industrie waren, ist entfaltungsgeschlichtlich unrichtig. Der erhaltene älteste „Preiscourant“ der Firma Reinecke (9) kennt das Indischblau überhaupt nicht, wohl aber zeigt er Formen, die heute wieder im Kommen sind.
Das Blaumuster (10) (Zwiebelmuster) wurde durch Mühlenfeld (11) in Eisenberg eingeführt und anfangs als Aufglasur-Dekor verwendet. Auch bei dem in der Steingutfabrik von Geyer und Körbitz (1886 bis 1900) hergestellten Steingut wurde als Dekor das Meißener Zwiebelmuster verwendet.
Das Strohmuster wurde dagegen erst 1900 durch die Porzellanfabrik Kalk (12) in Eisenberg bekannt.
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d) Der Teilarbeitsmarkt „Keramische Malerei“
c. Der Eisenberger Teilarbeitsmarkt (Qualitäts- und Handmalerei)
Von einem den Reichenbacher Marktmalern entsprechenden Familienbetrieb (mit 4 Beschäftigten) abgesehen, unterschied sich der Eisenberger Teilarbeitsmarkt durch besondere Qualitätsarbeit ganz wesentlich von den übrigen Teilarbeitsmärkten der keramischen Malereien des Jenaer Bezirkes.
In den beiden seit 74 und 54 Jahren bestehenden Malereien wurde bis Mitte des Weltkrieges künstlerisch und handwerklich hochwertige Handmalerei ausgeführt. Typisch ist hier für die Kunstmalerei der sogen. „mitteldeutsche“ Stil, der durch einen zugewanderten schlesischen „Blumenmaler“ neu belebt wurde. Seine Fertigkeit im Malen zusammenhängender Blumen und Zweige (Blumenranken) gab Veranlassung, nach und nach sechs solcher „Blumenmaler“ aus Altwasser nach Eisenberg kommen zu lassen (13) In gleich hoher Blüte stand damals die Figurenmalerei.
Für das Ende des Arbeitsmarktes war folgende Entwicklung ausschlaggebend: im Laufe der Zeit erleichterten sich die Handmaler ihre Arbeit bei Unterglasurmalerei durch Verwenden von Pausen. Technische Vervollkommnung ermöglichte die Benutzung von Abziehbildern und Stahldrucken (14) und verwischte damit immer mehr den Unterschied zwischen Hand- und mechanischer Malerei. Diese Entwicklung bereitete dem kleinen Teilarbeitsmarkt und seiner Qualitätsarbeit schließlich den Untergang. Dazu kam, daß das Verständnis des Käufers für die Güte der Veredelung der Porzellanware nachließ, so daß sich die Arbeit der Eisenberger Maler nach dem Kriege nicht mehr lohnte.
Fußnoten:
1) Die vier Eisenberger Porzellanfabriken sind:
a) F. A. Reinecke, (gegr. 1796); Gebrauchsgeschirr.
b) W. Jäger, (gegr. 1870); Gebrauchsgeschirr.
c) Bremer & Schmidt, P. F. und Malerei (gegr. 1896); Gebrauchs- und Luxusgeschirr.
d) Kalk, G.m.b.H., (gegr. 1900); Gebrauchsgeschirr.
(2) In einzelnen Jahren waren beschäftigt in der:
Porzellanfabrik
Jahr
März
Okt.
Aug.
1912
1913/14
1931
1934
1934
1936
Reinecke . . . . . . . . . . . . . . . . . .
——
155
126
——
55
72
Jäger . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
——
106
101
——
93
102
Bremer & Schm. . . . . . . . . . . . . . . .
——
106
85
——
85
84
Kalk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
——
316
173
——
158
178
Insgesamt: . . . . . . . . . . . . . . . . .
600
683
485
328
391
436
(3) Die Porzellanfabrik G. W. Kunze (gegr. 1869); Gebrauchsgeschirr, wurde 1928 stillgelegt. - Die Belegschaft war zuletzt 36 Mann stark. -
(4) Heimarbeit, die in der Eisenberger Porzellanindustrie vor dem Kriege in großem Umfang üblich war, wird heute nicht mehr vergeben. - 1914 wurden in Eisenberg etwa 200 Heimarbeiterinnen mit Unterglasurmalerei (Indischblau oder Strohmusterdekor) beschäftigt. Die spätere Entwicklung der Marktlage erforderte jedoch in immer weiterem Umfang den Übergang zu billigeren Dekorierungsverfahren; z.B. zum Abziehbild, zum Spritz- und insbesondere zum Stempeldekor. Die Heimarbeiterinnen wurden damit entbehrlich.
(5) Vgl. §§ 2 und 3 der Anordnung über die Verteilung von Arbeitskräften vom 28. August 1934.
(6) Vgl. auch die Kurve der Arbeitssuchenden für 1933-36 S. 64.
(7) Man versteht unter den Thüringer Artikeln Becher, Schalen, Dosen, Untersetzer, Näpfchen, Töpfchen, Trichter, Löffel, Reiseandenken und ähnliche Gegenstände.
(8) Das Zwiebelmuster wurde 1745 von dem sächsischen Blaumaler J. D. Kretzschmar in Meißen nach einer chinesischen Schale geschaffen, die in Unterglasurblau mit japanischen Pfirsichen und Granatäpfeln geschmückt war. (Vgl. darüber Jenaische Zeitung Nr. 172 vom 26. Juli 1934, S. 9.) Neben ihm war der berühmte Porzellanmaler Herold auf der Albrechtsburg tätig. Auch er war ein Meister in der Nachahmung chinesischer Muster.
(9) Das Erscheinungsjahr konnte nicht ermittelt werden.
(10) Man bezeichnet es auch als sogenanntes Blaumodell oder Dänisches Dekor. In Thüringen wurde es zuerst von der Porzellanfabrik Rauenstein verwendet (etwa um 1870).
(11) Porzellanmanufaktur von Mühlenfeld. Diese wurde später mit der Porzellanfabrik von Schmeißer zur Porzellanfabrik Jäger vereinigt.
(12) Die aus Köln kommende Firma übernahm, da sie sich dort nicht vergrößern konnte, die in Eisenberg verkäufliche Steingutfabrik von Geyer & Körbitz, richtet in ihr eine Porzellanfabrik ein und dekorierte das hergestellte Porzellan hauptsächlich mit den genannten Mustern.
(13) Waldenburg-Altwasser. Porzellanfabrik C. Tielsch & Co., A.G. (Gegr. 1845).
(14) Unter Stahl- oder Kupferdruck ist folgender Vorgang zu verstehen: Metallplatten, in die das als Dekor aufzutragende Muster eingeätzt oder eingraviert ist, werden mit Farbe eingerieben, die dann mit besonders vorbereitetem Papier aufgenommen wird. Man erhält auf diese Weise eine Art Abziehbild, welches auf das zu dekorierende Geschirr aufgebracht wird.
Quelle:
Der Arbeitseinsatz in der feinkeramischen Industrie des Arbeitsbezirkes Jena einschließlich der Entfaltungsgeschichte.
Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Würde eines Doktors der wirtschaftlichen Staatswissenschaften einer Hohen Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität zu Jena
Vorgelegt von Diplomwirtschafter Herbert Fuchs aus Bad Klosterlausnitz, Thüringen.
1937 — Gedruckt bei G.A. Koenig, Erfurt.