Bereits 40 Jahre vorher, ehe es zur Errichtung einer Porzellanfabrik in Eisenberg kam, wurde ein Versuch dazu unternommen, wobei wir es freilich auf sich beruhen lassen müssen, ob es bei der landläufigen Verwechslung von Porzellan und Fayence nicht etwa um eine Fayencefabrik sich gehandelt hat. Im Jahre 1756 bemühte Matthäus Eichelroth in Gera sich bei der Kammer in Altenburg um die Erlaubnis zur Anlegung einer Porzellanfabrik in Eisenberg
1). Vergeblich wollte der Bittsteller sich in Gera, wo übrigens doch schon seit geraumer Zeit eine Porzellanfabrik bestand, nach den für die Glasurmühle erforderlichen Materialien umgesehen haben. Dagegen böten in Eisenberg die dortigen „Erdmaterialien“ und die anderen nötigen Stoffe eine gute Gelegenheit, den neuen Industriezweig einzubürgern. Unter den in solchen Fällen üblichen Bedingungen, als Steuerfreiheit, das Recht, Erde und Sand abgabenfrei graben zu dürfen, die Zusicherung des Monopols für das Land Altenburg, die Erlaubnis, eine Glasurmühle an einem Bach oder kleinem Wasser anzulegen u. s. w. war er bereit das Unternehmen in Gang zu bringen. Bewillige man ihm diese Zugeständnisse, so meinte er zuversichtlich, würden die Erzeugnisse seiner zu gründenden Fabrik gleich anfänglich denen der Etablissements in Erfurt und Arnstadt in Feinheit und Güte an die Seite sich stellen können, ja er hoffte diese bald zu übertreffen.
Diese Bemerkung legt es nahe, dass der Eichelroth überhaupt nicht an eine eigentliche Porzellanfabrik dachte. In beiden genannten Orten haben nur Fayancefabriken bestanden. Die Kammer schein denn auch gleich die richtige Witterung gehabt zu haben und war gar nicht geneigt auf das Gesuch einzugehen. Allem Vermuten nach würden nur schlechte Sorten von Porzellan gefertigt werden, dem Lande mithin kein Vorteil erwachsen. Auch schien die erbetenen Freiheiten ungewöhnlich und bedenklich. Höchstens die Erbauung der Glasurmühle, sofern sich der Bewerber zu einer gewissen Abgabe verstehen würde, sei zulässig.
Unter solchen Umständen fiel natürlich das Projekt ins Wasser, und ebensowenig Erfolg hatte Georg Christian Herrmann aus Roschütz, als er um 1790 die Kammer in Altenburg darum anging, ihm die Erlaubnis auszuwirken, in Eisenberg eine Porzellanfabrik anzulegen. Zwar der dortige Magistrat war von dem Gedanken sehr begeistert und liess es an einer warmen Empfehlung des Gesuches nicht fehlen. Für die Stadt, deren Bewohner unter Armut seufzten, würde dieser zuwachs an Erwerbsgelegenheit einen entschiedenen Gewinn bedeuten. Und auch einen staatswirtschaftlichen Grund wusste der hochweise Stadtrat in's Feld zu führen, indem er, doch wohl im Widerspruch mit der grossen Armut der Einwohnerschaft, rühmend hervorhob, wie „geringeres Porcelain gegenwärtig in allen Häusern sich anzuschaffen zu einem unentbehrlichen Bedürfniss worden“. Diesen Artikel aber hole man allgemein aus Gera und so werde demnach in Zukunft das Geld im Lande bleiben.
Indes die Kammer war behutsamer als der temperamentvolle Magistrat von Eisenberg. Sie fühlte dem Herrn Herrmann etwas auf den Zahn und stellte fest, dass derselbe weder die in Frage stehende Fabrikation ordentlich erlernt hätte, noch auch ausreichende Mittel besässe, um den Betrieb zu eröffnen. Dazu kam die drohende Perspektive, dem Bittsteller zu einem Handelsmanne werden zu sehen. Denn er hatte für alle Fälle gebeten, mit den Waren, die er statt des baren Geldes für seine Porzellansachen eintauschen würde, einen regulären Handel treiben zu dürfen. Dass er mit einem derartigen Vorgehen sofort die gesamte Krämerinnung gegen sich gehabt haben würde, konnte Niemand verborgen sein. So war es sicher das Beste, dass die einsichtsvolle Kammer entschied, den Mann abzuweisen.
Erst Heinrich Ernst Mühlberg, ein Porzellanmaler aus Roschütz, der in Rudolstadt (wohl richtiger Volkstedt) und Gera den Betrieb einer Porzellanfabrik kennen gelernt haben wollte, gelang der grosse Wurf, als er im Jahre 1796 um die Erlaubnis bat, eine Porzellanfabrik in Eisenberg zu eröffnen. Er erhielt unter dem 16. Juni desselben Jahres das Privileg
2).
Auch er wurde durch den Stadtrat von Eisenberg in seinem Vorhaben unterstützt, der dieses Mal noch lebhaftere Farben auftrug, um die Regierung geneigt zu machen, auf die Bitten des Petenten einzugehen. Er betonte die wenig erfreuliche Lage der Bevölkerung, insbesondere seit die Profession der Zeugmacher so stark zurückgegangen wäre. Für die Stadt, die nichts dabei riskiere, könne das neue Unternehmen nur vorteilhaft sein. Ihre Lage und die von der Natur verliehenen Materialien und Produkte forderten gleichsam zur Inangriffnahme des neuen Industriezweigs auf. „Zu schmeichelhaft“, heisst es in einem 4 Wochen nach dem ersten abgelassenen nochmaligen Schreiben des Magistrats an die Kammer, „scheinen uns die Aussichten in Absicht dieses Geschäfts vor den Wohlstand hiesiger Stadt, als dass wir nicht eifrigst die Erfüllung des Supplicanten Gesuch wünschen sollen.“
Inwieweit Mühlberg eigentlich zu dem schwierigen Unternehmen vorbereitet war, lässt sich nicht klar stellen. Seine Porzellanmalerei, die er seit etwa 1789 in Roschütz geübt hatte, brachte er gewesen zu sein, dass in dieser Gegend sich die Porzellanmalerei überhaupt als selbständiges, in grösserem und kleinerem Masstabe betriebenes Gewerbe ausbreitete. An Vermögen gab er an, 3000 Rthlr zu besitzen, was als ein grosses Betriebskapital selbst für die damalige Zeit kaum gelten kann. Aber er war ein unternehmender eifriger Mann und hatte auch seinen Porzellanhandel soweit entwickelt, dass er sich „eines ansehnlichen Debits in's Ausland“ erfreute. Schliesslich drängte Mühlberg zur Entscheidung, indem er mitteilte, dass ihm eine Porzellanfabrik in Böhmen zum Kaufe angeboten sei. Lieber aber bleibe er im Lande und wollte in Eisenberg eine neue Fabrik anfangen als auswandern. Wirklich hatte er im Jahre 1795 sich in Prag um die Konzession beworben im Böhmischen bei Görkau oder Kommotau eine Porzellanfabrik errichten zu dürfen. Aber obwohl er sich auf seine gründlichen Kenntnisse in der Erzeugung, seine zahlreichen Verbindungen mit Polen und Russland berief und tüchtige Arbeiter mitzubringen versprach, wurde er vom Gubernium abgewiesen. Mann begründete die Ablehnung damit, dass in Folge höherer Vorschrift die Gründung einer „echten“ Porzellanfabrik nicht gestattet sei. Man wolle eben gerne verhindern, dass der Wiener Fabrik Konkurrenz gemacht würde. Mühlberg's Drohung wäre mithin nicht mehr ernst zu nehmen gewesen. Doch kannte man in Altenburg offenbar die Entscheidung des Prager Guberniums vom 19. März 1795 nicht
3) und so bekam er denn die Konzession.
Sogleich nachdem er sie erhalten, ging er denn auch ans Werk, kaufte sich in Eisenberg an und beschleunigte die Herstellung der Fabrik. Er erstand das in der Altstadt belegene, dem Wagnermeister Merkel gehörige Wohnhaus und erweitere es nach Norden hin. Es war das im Jahre 1843 noch stehende Vorder- und Wohnhaus der Fabrik, in dessen Erdgeschoss sich die Niederlage befand. Im Jahre 1805 baute Mühlberg ein besonderes Arbeitshaus und 1810 ein zweites dazu, beide auf der Ostseite
4). In die Zwischenzeit — in das Jahr 1808 — fällt die Erbauung einer Massenmühle, zu der sich Mühlberg mit dem Besitzer des Kupferhammers am Rautenbache unweit Eisenberg vereinigte.
Was nun Mühlberg in den nächsten Jahren leistete, hüllte sich leider in ein wie es scheint nicht aufzuhellendes Dunkel. Professor Weise teilt uns mit, dass die Fabrik gleich im Beginn ihres Betriebes sehr blühte und schnell erweitert wurde
5). Back verlegt ihre höchste Blüte in die Jahre 1801 – 10. Für eine gedeihliche Entwickelung scheint der Umstand zu sprechen, dass er im Jahre 1806 das Privileg der Döll'schen Fabrik in Altenburg, Steingut anzufertigen, für 1000 Gulden kaufte. Döll behauptete, dass, seit in den letzten Jahren in den benachbarten Orten die Fabrikation des Steinguts so stark zugenommen hätte, es sich für ihn in Altenburg nicht mehr lohne, die von ihm 1796 ins Leben gerufene Steingutfabrik weiter zu betreiben. Mühlberg aber meinte, dass gerade nach Steingutartikeln immer grosse Nachfrage sei; daher erschien es ihm zweckmässig, beide Fabrikationszweige, die Herstellung von Porzellan und die von Steingut, miteinander zu verbinden. Die Kammer, die Döll einen Vorschuss gewährt hatte, ging am 11. August 1806 darauf ein, sein Privileg auf Mühlberg zu übertragen, nachdem er erklärt hatte, dass mit der Kaufsumme ein Teil seiner Schuld getilgt werden sollte.
Einige Schwierigkeiten hatte Mühlberg gleich zu Anfang bei der Beschaffung seines Rohstoffs.
Hauptsächlich kam als Fundort für die nötige Erde und Sand das Dorf Roschütz auf herzoglich altenburgischem Territorium, kaum drei Stunden von Eisenberg entfernt, in Betracht. Ausserdem enthielt ein in der Nähe des Rittergutes daselbst befindlicher Berg, genannt die Pezoldsbirken, der dem Hof- und Stadtmusikus Ehwald in Gera gehörte, die gesuchte Erde in besonderer Güte Hier holte sich nicht nur Mühlberg sein Material, sondern auch die Porzellan- oder Steingutfabrik in Gera
6). Es war diese Stätte keinesfalls die einzige, die benutzt worden, denn Mühlberg bezahlte nach den Angaben des Kämmereibuchs in Eisenberg jährlich 25 Fl. für das Recht, am Sandberge Thon zu graben
7). Aber gewiss waren die Pezoldsbirken die wichtigste oder massgebende Grube und Mühlberg wünschte daher dieselbe allein ausnutzen zu können. Zu diesem Zweck kam er am 14. Februar 1797 bei der Kammer in Altenburg um den Erlass eines Ausfuhrverbots der fraglichen Erden, Thone u. s. w. ein.
Der Stadtrat fühlte sich veranlasst, dieses Gesuch zu unterstützen, indem er nach seiner Kenntnis die Lager bei Roschütz nicht ausreichten, um zwei Fabriken mit Sand und dergl. m. zu versehen. Auch die Kammer stand auf diesem Standpunkte. Sie ermittelte, zwar nicht durch einen sachverständigen Bergmann, dass der fragliche Berg eine fünffache Lage von verschiedener Erde enthielt, jedoch nur in einer einzigen den zur Porzellanmasse brauchbaren Sandstein und zwar auch dort nur in einem so geringen Masse, dass eine Elle kubischen Gehalts nicht mehr als den dritten Teil der gleichen Porzellanmasse in sich fasste. Unter solchen Umständen schien die einheimische Fabrik doch den Vorzug zu verdienen und die Kammer befürwortete deshalb ebenfalls den Erlass eines Ausfuhrverbots. Glücklicherweise für die Gerarer Fabrik, die sich auf einen alten Vertrag von 1779 beziehen konnte, nach dem es ihr erlaubt war, Thon und Sand aus dem Ronneburgischen und Eisenbergischen zu holen, kam es aber zu dieser Proklamation nicht. Der Herzog lehnte von Friedenstein aus ohne nähere Angabe von Gründen ab
8), auf den Antrag Mühlberg's einzugehen.
In eine andere Differenz geriet er mit seinem eigenen Bruder Johann Anton Mühlberg. Dieser hatte längere Zeit der brüderlichen Fabrik in Eisenberg vorgestanden, fühlte aber dann das Bedürfnis sich selbständig zu machen und bewarb sich im Jahre 1809 in Altenburg um eine Konzession zur Anlegung einer Porzellanmalerei in Friedrichstannecke. Wie erwähnt, kam damals sehr wider den Willen der Fabrikunternehmer, die lieber in ihrem Etablissements oder wenigstens auf ihre Rechnung das Bemalen des weissen Porzellans besorgen liessen, die Porzellanmalerei als Hausgewerbe auf. Auf Mühlberg, der in Roschütz den Anfang gemacht zu haben scheint, folgte ebenda Albert, der auch bald so viel verdient hatte, dass er in Pössneck eine eigene Fabrik gründen konnte. Später that sich in Roschütz, seit 1802, Carl Friedrich Hummel, in Ronneburg Joh. Michael Auerbach, letzterer namentlich als Pfeifenkopfmaler hervor. Und auch das Handwerksmässige hielt damals seinen Einzug, indem Joh. Christian Hofmann und sein Sohn Joh. Heinrich Gottlieb in Ronneburg seit 1810 das Porzellandrucken einführten „statt des zeitverderblichen Mahlens“. Dieser Dekorationsmethode, die damals wohl erst vor kurzem in Frankreich aufgekommen war
9), hielt auf diese Weise nun auch in Thüringen ihren Einzug. Alle diese Gewerbetreibenden liessen sich, offenbar um nicht von den Fabrikanten der „Winkelmalerei“ beschuldigt zu werden, Konzessionen ausstellen. So erhielt denn ihr Beruf eine offizielle Genehmigung und auf diese ging auch Johann Anton Mühlberg aus. Sein Bruder aber machte ihm diese streitig und berief sich auf sein ihm angeblich ein Monopol auch im malen zusprechendes Privileg. Sein Widerspruch half ihm aber nichts. Am 15. Dezember 1809 wurde Johann Anton Mühlberg die Erlaubnis erteilt, an dem angegebenen Orte „für eigene Rechnung bereits gefertigtes weisses Porzellan, von welcher Façon und Fabrik es übrigens sey mit Malerey, Vergoldung und anderer Staffierung zu versehen“.
Es ist wohl kaum an diesen Faktoren gelegen, dass die Fabrik in Eisenberg auf die Dauer sich nicht halten konnte oder doch wenigstens nicht sich gedeihlich weiter entwickelte. da wir weder wissen, was sie hervorzubringen pflegte, noch ihre Fabrikate gesehen haben, so können wir ihre Leiter nicht etwa der Ungeschicklichkeit oder geringen Leistungsfähigkeit anklagen. Ein schwerer Schlag bedeutet jedenfalls das neue preussische Zollsystem von 1818. Es schützte Preussen mit einer einheitlichen Zolllinie, aber dieses zu überschreiten war um so misslicher, als der Gewichtszoll beim Porzellan sehr lästig empfunden wurde. So häuften sich die Vorräte und der Absatz stockte. Noch im Jahre 1818 beschäftige die Fabrik 20 Maler und 10 Dreher und brannte ein- bis zweimal wöchentlich. Gegenüber früher freilich auch ein Rückschritt, indem sonst jeden zweiten Tag gebrannt worden war. Aber 1819 hatte die Fabrik nur noch einen Maler — er hiess Berlich
10) — nebst 3 Drehern und 4 Tagelöhnern angestellt und man brannte alle 6 Wochen einmal.
Daher melden uns unsere Akten, dass die Eisenberger Porzellan- und Steingutfabrik seit 1819 aufhörte, ein Schicksal, dass auch die von Brandenstein'sche Fabrik in Roschütz um dieselbe Zeit traf. Letzterer hielt es für zweckmässiger, in Crossen, schon auf preussischem Gebiet, seine Fabrik wieder aufzubauen.
Mühlberg konnte oder wollte das nicht thun. Doch scheint der Stillstand nur ein vorübergehender gewesen zu sein. Nach Mühlberg's Tode konnte die Witwe 1829 eine neue Massenmühle erbauen und besass das Etablissement noch im Jahre 1843
11). Wenn die Fabrik auch seitdem durch mehrere Hände gegangen ist, so besteht sie doch bis auf den heutigen Tag.