Die Industrie unserer Stadt erfreut sich eines mehr als 100jährigen Bestehens. Doch sind manche Zweige davon jüngeren Ursprungs, so die Pianofortefabrikation, die Herstellung von landwirtschaftlichen Maschinen, Metallwaren, Pantoffeln, Puppen ec. Während der Eisenberger
Kalk schon seit Jahren nach Gößnitz befördert und dort zu Zement verarbeitet worden ist, hat man erst 1901 an die Gründung einer Zementfabrik gedacht. Auch die durch die Thonlager der Umgegend geförderte Erzeugung von Kachelöfen und Steingut datiert erst seit 1882, während Chamottewaren bereits seit 1864 in der früher Schulzeschen, jetzt Randhahnschen Fabrik hergestellt werden. Die jetzt reich entwickelte Etuifabrikation ist ein Kinder der 1848er Revolution, nach deren Verlauf sie der damals in der Schweiz geflüchtete und nach Erlaß der Amnestie zurückgekehrte Bürger Spahn 1851 hier einführte. Cervelatwurst hat man in unserer Stadt bereits von 1850 an nach auswärts versandt, zuerst die Firma Matthes; seitdem ist der Umfang der Wurstfabrikation so gewachsen, daß nach Ausweis der Statistik in Eisenberg 1901 14 800 Schweine und 3320 Rinder geschlachtet worden sind, während auf die viermal größere Stadt Altenburg in derselben Zeit nur 8059 Schweine und 2313 Rinder (auf Schmölln 2068 Schweine und 607 Rinder) entfallen.
2) Noch älter ist die Zeugfabrik (jetzt Plüschfabrik) von W. Kretzschmann, die schon 1834 ins Leben gerufen wurde.
3) Am weitesten geht jedoch die Porzellanerzeugung zurück, deren Anfänge bis ins Jahr 1796 reichen, während die Versuche noch Jahre höher heraufgerückt werden können. Darüber erfahren wir aus dem oben angeführten Werke von Professor Dr. Stieda Genaueres.
Im Jahre 1756 bemühte sich Matthäus Eichelroth aus Gera bei der Kammer in Altenburg um die Erlaubnis zur Anlegung einer Porzellanfabrik in Eisenberg. Er wollte sich in Gera, wo schon seit geraumer Zeit eine Porzellanfabrik bestand, nach den für die Glasurmühle erforderlichen Stoffen umgesehen haben und erklärte, die Eisenberger „Erdmaterialien“ und die anderen nötigen Stoffe böten eine gute Gelegenheit, den neuen Industriezweig einzubürgern. Unter den in solchen Fällen üblichen Bedingungen (Steuerfreiheit, Recht, Erde und Sand abgabenfrei graben zu dürfen, Zusicherung des Monopols für das Land Altenburg, Erlaubnis, eine Glasurmühle an einem Bach oder kleinen Wasser anzulegen ec.) war er bereit, das Unternehmen in Gang zu bringen. Bewillige man ihm diese Zugeständnisse, so würden die Erzeugnisse seiner Fabrik gleich anfangs denen der Etablissements in Erfurt und Arnstadt an Feinheit und Güte ebenbürtig sein, ja er hoffte diese bald zu übertreffen.
Die Kammer ging jedoch nicht auf Eichelroths Bedingungen ein; deshalb fiel das Projekt ins Wasser. Ebensowenig Erfolg hatte Georg Christian Hermann aus Roschütz, als er um 1790 die Kammer in Altenburg um die Erlaubnis anging, in Eisenberg eine Porzellanfabrik anzulegen. Zwar war der hiesige Magistrat von diesem Gedanken sehr begeistert und empfahl daher das Gesuch aufs wärmste. Für die Stadt, deren Bewohner unter Armut seufzten, würde dieser Zuwachs an Erwerbsgelegenheit einen entschiedenen Gewinn bedeuten; auch sei es jetzt zu einem unentbehrlichen Bedürfnis geworden, sich geringeres „Porzellan“ in allen Häusern anzuschaffen. Diesen Artikel nun hole man allgemein aus Gera, nach Anlage der Eisenberger Fabrik aber werde das Geld im Land bleiben.
Indes die Kammer war behutsamer als der Magistrat von Eisenberg. Sie fühlte dem Herrn Hermann etwas auf den Zahn und stellte fest, daß er weder die Porzellanfabrikation ordentlich erlernt habe, noch ausreichende Mittel besitzt, um den Betrieb zu eröffnen. Dazu kam die drohende Aussicht, den Bittsteller zu einem Handelsmanne werden zu sehen. Denn er hatte für alle Fälle gebeten, mit den Waren, die er statt des baren Geldes für seine Porzellansachen eintauschen würde, einen regelmäßigen Handel treiben zu dürfen. Daß er mit einem derartigen Vorgehen sofort die gesamte Krämerinnung gegen sich gehabt hätte, konnte niemand verborgen sein. So war es sicher das Beste, den Mann abzuweisen.
Erst Heinrich Ernst Mühlberg, ein Porzellanmaler aus Roschütz, der in Rudolstadt und Gera den Betrieb einer Porzellanfabrik kennen gelernt haben wollte, gelang der große Wurf, als er im Jahre 1796 um die Erlaubnis bat, eine Porzellanfabrik in Eisenberg zu eröffnen. Er erhielt unter dem 16. Juni desselben Jahres von der Regierung das Privileg, das folgendermaßen lautet:
„Wir Ernst H. z. S. etc. Bekennen hiermit für Uns, Unsere Erben und Nachkommen und fügen zu wissen: wie bei Uns der zeither in Roschütz wohnhaft gewesene Porzellain-Mahler, Heinricht Ernst Mühlberg um landesherrliche Concession zu Etablirung einer Porzellain-Fabrick in der Stadt Eisenberg unterthänigst nachgesuchet hat mit der Anerklärung, dass, wenn ihm in Ansehung der darauf zulegenden Abgaben gewisse Frei-Jahre zu Theil würden, er die darzu erforderlichen Gebäude und sonstige Einrichtungen lediglich auf eigene Kosten aufzurichten und herzustellen gedenke.
Nachdem Wir nun in gnädigster Erwägung der vom Unserer hiesigen Landesregierung in dem dieserhalb erstatteten unterthänigsten Berichte angeführten Umstände, besonders aber zu Beförderung des gemeinen Besten und des Nahrungsstandes der Stadt Eisenberg dem Mühlbergischen Gesuche Statt zu geben Uns bewogen gefunden haben:
Als wird ermeldeten Supplicanten die gebetene Concession zu Etablierung einer Porzellain-Fabrick in der Stadt Eisenberg, jedoch ohne einiges Verbietungs Recht aus landesherrlicher Macht hiermit und in Kraft dieses Briefes dergestalt ertheilet, dass derselbe, nach erfolgter Ausrichtung und Einrichtung der darzu erforderlichen Gebäude auf eigene Kosten und sonstiger Einrichtungen Porzellain-Waaren frey und ungehindert zu fertigen und mitselbigen zu handeln befugt und berechtiget, jedoch auch dabei sich jedesmal guter und tüchtiger Waaren zu befleissigen und solche um billige Preise zu verkaufen schuldig und gehalten sein, dagegen aber auch vermöge Unseres Mandats vom 10. April 1750 eine Befreyung von allen Abgaben, mit Ausschluss der sogleich nach erlangter nähern Kenntniss von dem mehr oder minder beträchtlichen Absatz der Waaren festzusetzenden und von ihm sofort nach erfolgter Anlegung terminlich zu entrichtenden ausserordentlichen Handelssteuer, auf zwölf Jahre, nach deren Ablauf derselben einen, nach dem Betrieb und Umfang dieser Unternehmung abgemessenen Canon zur dortigen Amts Rentherey, ingleichen die gewöhnliche Steuer von den Gebäuden und Gewerbe, resp. nach dem Regulativ und der Verhältnissmässigkeit des Gewerbes an die dasigen Steuereinnehmer zu entrichten verbunden, zu geniessen haben und übrigens wider alle und jede Beeinträchtigungen auf geziemendes Ansuchen jederzeit geschützet werden soll.
Urkundlich pp. und gegeben, Altenburg, den 16. Juni 1796.“
Auch er wurde durch den Stadtrat von Eisenberg in seinem Vorhaben unterstützt. Dieser betonte die wenig erfreuliche Lage der Bevölkerung, insbesondere seit die Profession der Zeugmacher so stark zurückgegangen sei. Für die Stadt, die nichts dabei aufs Spiel setze, könne das neue Unternehmen nur vortheilhaft sein. Ihre Lage und die von der Natur verliehenen Materialien forderten gleichsam dazu auf, den neuen Industriezweig in Angriff zu nehmen.
Inwieweit Mühlberg eigentlich zu dem schwierigen Unternehmen vorbereitet war, läßt sich nicht klar stellen. Die Porzellanmalerei, die er seit etwa 1789 in Roschütz geübt hatte, brachte er zu einer ansehnlichen Entwicklung; ja dies scheint auch die Veranlassung gewesen zu sein, daß sich diese dort überhaupt als selbständiges, in größerem und kleinerem Maßstabe betriebenes Gewerbe ausbreitete. Er gab an, an Vermögen 3000 Thaler zu besitzen, was selbst für die damalige Zeit kaum als ein großes Betriebskapital gelten kann. Aber er war ein unternehmender, eifriger Mann und hatte auch seinen Porzellanhandel soweit entwickelt, daß er sich „eines ansehnlichen Debits ins Ausland“ erfreute, daß ihm eine Porzellanfabrik in Böhmen zum Kaufe angeboten sei. Lieber aber bliebe er im Lande und wollte in Eisenberg eine neue Fabrik anfangen als auszuwandern. Wirklich hatte er sich im Jahre 1795 in Prag um eine Konzession beworben, in Böhmen bei Görkau oder Komotau eine Porzellanfabrik errichten zu dürfen. Aber obwohl er sich auf seine gründlichen Kenntnisse in der Erzeugung, sowie seine zahlreichen Verbindungen mit Polen und Rußland berief und tüchtige Arbeiter mitzubringen versprach, wurde er dort abgewiesen. Man wollte eben verhindern, daß der Wiener Fabrik Konkurrenz gemacht würde. Mühlbergs Drohung wäre mithin nicht mehr ernst zu nehmen gewesen. Doch kannte man in Altenburg offenbar die Entscheidung der Prager Behörde vom 19. März 1795 nicht
4), und so bekam er die Konzession.
Sogleich ging er denn auch ans Werk, kaufte sich in Eisenberg an und beschleunigte die Herstellung der Fabrik. Er erstand das in der Altstadt gelegene, dem Wagnermeister Merkel gehörige Wohnhaus und erweiterte es nach Norden hin. Es war das im Jahre 1843 noch stehende Vorder- und Wohnhaus der Fabrik, in dessen Erdgeschoß sich die Niederlage befand. 1805 baute er ein besonderes Arbeitshaus und 1810 ein zweites dazu, beide auf der Ostseite
5). In die Zwischenzeit (in das Jahr 1808) fällt die Erbauung einer Massenmühle, zu der er sich mit dem Besitzer des Kupferhammers in Rauda vereinigte.
Was nun Mühlberg in den nächsten Jahren leistete, hüllt sich in ein nicht aufzuhellendes Dunkel. In den Mitteilungen unseres Vereins, Heft XV, S. 8, habe ich berichtet, daß die Fabrik gleich im Beginn ihres Betriebes sehr blühte und schnell erweitert wurde. Back verlegt ihre höchste Blüte in die Jahre 1801—10. Für eine gedeihliche Entwicklung scheint der Umstand zu sprechen, daß er im Jahre 1806 das Privileg der Döllschen Fabrik in Altenburg, Steingut anzufertigen, für 1000 Gulden kaufte. Döll behauptete, daß, seit in den letzten Jahren in den benachbarten Orten die Fabrikation des Steinguts so stark zugenommen habe, es sich für ihn in Altenburg nicht mehr lohne, die 1796 ins Leben gerufene Steingutfabrik weiter zu betreiben. Mühlberg aber meinte, daß gerade nach Steingutartikeln immer große Nachfrage sei; daher erschien es ihm zweckmäßig, beide Fabrikationszweige, die Herstellung von Porzellan und von Steingut, miteinander zu verbinden. Die Kammer, die Döll einen Vorschuß gewährt hatte, ging am 11. August 1806 darauf ein, sein Privileg auf Mühlberg zu übertragen, nachdem er erklärt hatte, daß mit der Kaufsumme ein Teil seiner Schuld getilgt werden solle.
Einige Schwierigkeiten hatte Mühlberg gleich zu Anfang bei der Beschaffung seines Rohstoffs.
Hauptsächlich kam als Fundort für Erde und Sand das Dorf Roschütz in Betracht, das auf herzoglich altenburgischem Boden kaum drei Stunden von hier entfernt liegt. Außerdem enthielt ein in der Nähe des Rittergutes daselbst befindlicher Berg, genannt die Pezoldsbirken, die gesuchte Erde in besonderer Güte. Hier holte sich nicht nur Mühlberg sein Material, sondern auch die Porzellan- und Steingutfabrik in Gera. Es war diese Stätte keinesfalls die einzige, die benutzt wurde; denn Mühlberg bezahlte nach den Angaben des Kämmereibuches in Eisenberg jährlich 25 Gulden für das Recht, am Sandberge Thon zu graben. Aber gewiß waren die Pezoldsbirken die wichtigste oder maßgebende Grube, und Mühlberg wünschte daher diese allein ausnutzen zu können. Deshalb kam er am 14. Februar 1797 bei der Kammer in Altenburg um den Erlaß eines Ausfuhrverbots der fraglichen Erden, Thone u. s. w. ein.
Der Stadtrat fühlte sich veranlaßt, dieses Gesuch zu unterstützen, indem nach seiner Kenntnis die Lager bei Roschütz nicht ausreichten, um zwei Fabriken mit Sand und dergleichen mehr zu versehen. Auch die Kammer stand auf diesem Standpunkt. Sie ermittelte, daß der in Betracht kommende Berg eine fünffache Lage von verschiedener Erde enthielt, jedoch nur in einer einzigen den zur Porzellanmasse brauchbaren Standstein, und zwar auch dort nur in einem so geringen Maße, daß eine Elle kubischen Gehalts nicht mehr als den dritten Teil der gleichen Porzellanmasse in sich faßte. Unter solchen Umständen schien die einheimische Fabrik doch den Vorzug zu verdienen, und die Kammer befürwortete deshalb ebenfalls den Erlaß eines Ausfuhrverbots. Zum Glück für die Geraer Fabrik, die sich auf einen alten Vertrag von 1779 beziehen konnte, kam es aber zu dieser Proklamation nicht. Der Herzog lehnte vom Friedensstein aus ohne nähere Angabe von Gründen ab, auf den Antrag Mühlbergs einzugehen.
Die Fabrik in Eisenberg konnte sich jedoch auf die Dauer nicht gedeihlich weiter entwickeln. Da wir weder wissen, was sie hervorzubringen pflegte, noch ihre Fabrikate gesehen haben, so können wir ihre Leiter nicht etwa der Ungeschicklichkeit oder geringen Leistungsfähigkeit anklagen. Ein schwerer Schlag bedeutete jedenfalls das neue preußische Zollsystem von 1818. Es schütze Preußen mit einer einheitlichen Zolllinie, aber diese zu überschreiten war um so mißlicher, als der Gewichtszoll bei Porzellan sehr lästig empfunden wurde. So häuften sich die Vorräthe und der Absatz stockte. Noch im Jahre 1818 beschäftigte die Fabrik 20 Maler und 10 Dreher und brannte ein- bis zweimal wöchentlich, gegenüber der früheren Zeit freilich auch ein Rückschritt, indem sonst jeden zweiten Tag gebrannt worden war. Aber 1819 hatte die Fabrik nur noch einen Maler nebst 3 Drehern und 4 Tagelöhnern angestellt, und man brannte alle 6 Wochen einmal.
Daher melden uns die Akten, daß die Eisenberger Porzellan- und Steingutfabrik seit 1819 aufgehört habe, ein Schicksal, da auch die von Brandenstein bei Roschütz um dieselbe Zeit traf. Letzterer hielt es für zweckmäßiger, in Crossen, also auf preußischem Gebiet seine Fabrik wieder aufzubauen.
Mühlberg konnte oder wollte das nicht thun. Doch scheint der Stillstand nur vorübergehend gewesen zu sein. Nach Mühlbergs Tode konnte die Witwe 1829 eine neue Massenmühle erbauen und besaß das Etablissement noch im Jahre 1843. Jetzt ist es im Besitz der Herrn Gebrüder Reinecke.