Porzellanfabrik Wilhelm Jäger in Eisenberg/Thüringen ▪ fragliche Berghof-Devotionalie
• Form: Teller, tief, glatt, 21 cm Durchmesser
• Dekor: Schriftzug »Weihnachten 1933« mit (Schiebe-)Bildmotiv ›Drei Frauen bei der Feldarbeit‹

Dekor


Dekordetail
Dieser Teller entspricht dem in den 1920er/1930er Jahren typischen einer Andenken-Massen­ware (siehe Bild rechts):
  • Das mittig platzierte Schiebebild - der Tellerspiegeldekor - zeigt drei Frauen bei der Ähren­nachlese auf einem abgeern­teten Getreidefeld am Ende des Hochsommers.
  • Auf der Tellerfahne steht »Weihnachten 1933« [in goldenen Frakturlettern].
  • Der Tellerrand ist mit Gold abgestreift.
Vergleichbar dekorierte Teller (auch mit Bezug zu Weihnach­ten) sind auch heute noch immer mal wieder im Second-Hand-Markt zu finden. Somit handelt es sich bei diesem Teller um ein originales Stück und lediglich der Berghof-Stempel ist von bislang ungeklärter Herkunft.

Teller, tief, 194 mm Durchmesser

Hierbei handelt es sich um eine glattrandige kleine Tellerform eines ›Suppenteller‹.
 

Weihnacht oder Julfest?

Das Fest ab dem 4. Tag nach der Wintersonnenwende auf der nördlichen Hemisphäre (Ende der dunkler werdenden Zeitphase eines Jahres, drei Tage Dunkelheit, längste Nächte des Jahres) - christlich als Weihnachtsfest bezeichnet - wurde, weil christlich gebunden, von den runenesoterisch-ahnenkultischen Nationalsozialisten abgelehnt. Bevorzugt wurde statt dessen der Tag nach der Wintersonnenwende, der 22. Dezember, an dem das Julfest, weil im Monat Julmond (Dezember), gefeiert wurde.
 
Ein Weihnachtsteller ist somit zwar nicht ganz stimmig in Bezug auf den (neuen) Ritualkalender des Nationalsozialismus, aber das Weihnachtsfest war damals - 1933 - (noch) ein fester Bestandteil des deutschen Brauchtums und somit ist der Teller als ein entsprechendes Festgeschenk an Hitler vorstellbar. Das Spiegelmotiv ist in dieser Hinsicht passender als andere zeitgenössische Weihnachtstellermotive, deren Abbildungen biblisch/christlich oder ein kinderweih­nachtlich-kitschig sind.

Echt oder Gurke?

Die Echtheit dieses Weihnachtstellers – als Teil des ehemaligen ›Inventars des Berghofes – ist nicht bestätigt; dass es sich um eine Fälschung handelt, lässt sich aber anders als bei den Hitler-Tagebüchern derzeit auch nicht beweisen.
 
Der Teller stellt somit für sich ein Kuriosum dar. Oder soll­ten etwa andere Geschichtsinteressierte/Sammelnde ebenfalls einen Weihnachtsteller von 1933 mit ›Berghof‹-Kenn­zeichnung besitzen?

Die Markungen

Porzellanfabrik Jäger/Thüringen

Die Tellerunterseite (Ausschnitt, siehe Bild rechts) ziert die unter der Glasur sitzende in grün gestempelte Porzellanmarke von der Porzellan­fabrik Wilhelm Jäger in Eisenberg/Thüringen – Krone (und darunter der Schriftzug) Jäger – aus der Zeit von 1928 bis 1940.

Stempel: Berghof + Parteiadler

Zusätzlich und sichtlich über der Porzellanmarke befindet sich (mit Fluss­mittel) in die Glasur eingebrannt der Stempeldruck »Berghof« (in Fraktur-Lettern) und darunter der ›Parteiadler der NSDAP‹ in schwarz – welcher augenscheinlich nicht von der Porzellanfabrik Jäger aufgebracht, sondern mit großer Sicherheit von einem Porzellandekorateur platziert und eingebrannt worden war.

Das Wann

Eine plausible Erklärung für den Berghof-Stem­pel, beispiels­weise als Inven­tarisierungs­maßnahme, fehlt respektive ist nicht überliefert. Insge­samt ist nicht über­liefert, dass es jemals eine entsprechende Inventarisierung gegeben hatte. Eine derartige Markierung wäre mög­licherweise erst ab nach Mitte 1944 notwendig geworden, als Hitler im Juli dauerhaft in das Führerhaupt­quartier, die militärische Anlage Wolfschanze, umgezogen und eine Rückkehr auf den Obersalzberg erst nach Kriegsende vorgesehen war?
 
Dass der Schriftzug »Berghof« in Frakturschrift (gotische Lettern) ausgeführt ist, deren weitere Verwendung zugunsten der Normal-Schrift offiziell ab 1941 untersagt worden war, stellt einen vergleichsweise sichtbaren Hinweis dar, welcher gegen eine Echtheit des Tellers sprechen dürfte. Allerdings kann es auch sein, dass im Raum Berchtesgaden dieser Erlass entweder ganz einfach nicht bekannt war oder dass im traditionellen Bayern auf die Schriftart nicht verzichtet werden wollte und diese deshalb 1944 noch häufig Verwendung fand.

Kleine Geschichte zum Teller

Die beim Verkauf gemachte Angabe, der Teller stamme aus dem Nachlass eines ehemaligen Majors der US Army, welcher von Mitte der vierziger Jahre bis Anfang der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts in Berchtesgaden stationiert war, ist nicht nachprüfbar – und auch nicht wie er da hinein gekommen sein soll. Aber das ist bei Kriegssouvenirs aus Plünderungen, wenn es stimmen sollte, sicherlich häufiger so.
Die weiteren Weihnachtsteller aus diesem Nachlass aus den Jahren ›1934 bis 1945‹ (außer ggf. letzterer?) sollen ebenfalls diesen Stempel auf der Unterseite tragen und stammten von einer Porzellanfabrik in Selb/Bayern. Aufgrund der Gleichheit bei der Stempelung auf anderen ›Artefakten‹ dieses Nachlasses ist eher von einer einmaligen Markierungsaktion als von einer regel­mäßigen Markierung über viele Jahre hinweg auszugehen. Andererseits wurde im Umfeld des Obersalzbergs – insbesondere in Berchtesgaden – die Nachfrage nach NS-Andenkenartikel bis mindestens in die Mitte der 1950er Jahre hinein gedeckt und auch aus diesem erschöpften Devotionalienmarkt könnte dieser Teller in den Besitz des ›GI‹ gelangt sein.

Zur Letzte-Tage-Geschichte des Berghofes

1944: Im Juli 1944 wurde der Obersalzberg als Führerhauptquartier und der Berghof als Quartier von Adolf Hitler aufgegeben. Denkbar wäre, dass daraufhin eine vollständige Inventur des Berghofes durchgeführt wurde.
1945: Zuerst beschädigt beim Luftangriff auf das Führersperrgebiet mit kleiner Reichskanzlei am Obersalzberg (im Herzen des Reiches) am 25. April 1945 wurde der Berghof, kurz vor der kampflosen Besetzung durch Soldaten der US-Armee sowie einiger französischer am 4. Mai 1945, von SS-Leuten in Brand gesetzt. In den Tagen dazwischen plünderten insbesondere Einheimische dieses sowie weitere Gebäude am Obersalzberg; von den verbliebenen Inventar nahmen die Soldaten ihrerseits ›Kriegsandenken‹ mit. [Tage danach wurden scheinbar mehrere Sprengkörper zur Detonation gebracht um das Gebäude unbewohnbar zu machen.]
1952: Schließlich wurden die verbliebenen Reste des Berghofs am 30. April 1952 vollständig gesprengt und das Gelände renaturiert.
Etwa so wird es beschrieben.
 
 

Quellennachweis/Zitation

Quelle

Weihnachtsteller: Eigenes Archiv.

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https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BChrerhauptquartier_Wolfsschanze Bitte beachten: Keine Haftung für Inhalte fremder Internetseiten
https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsozialistischer_Weihnachtskult Bitte beachten: Keine Haftung für Inhalte fremder Internetseiten
https://de.wikipedia.org/wiki/Julfest Bitte beachten: Keine Haftung für Inhalte fremder Internetseiten
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by Günther Schleu
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