August 2024: Sammlermarkt (1) das Spektrum
#porzellansammler #sammelleidenschaft #sammlermarkt
Von: Günther Schleu, Erlangen
Sammeln heute
Einfach sammeln, was Freude macht, was gefällt.
Sammeln bis zur Vollständigkeit einer Serie oder eines Services.
Sammeln als Ergänzung.
Sammeln braucht neben Geldmitteln vor allem eins: Platz.
Ein Markt entsteht immer dann, wenn eine Bedürfnisbefriedigungsplattform über größere Entfernungen geschaffen werden soll. Das Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern ist allerdings sehr komplex, insbesondere wenn es um ein Marktgeschehen geht, welches überwiegend im Sekundärmarkt (Second-Hand-Markt) stattfinden muss. Die klassischen Absatzwege von Antiquitätenhandel bis Trödelmarkt verschieben sich derzeit zu Gunsten des Handels via Internet; die Betrachtung der Marktplätze bedarf gerne einer eigenen Betrachtung.
Auch verändert sich das Marktverhalten längs der Wertigkeit der Produkte. Soll heißen, in den letzten gut 50 Jahren wurde die Porzellanherstellung überwiegend auf Schlichtheit und Funktionalität umgestellt und das hat natürlich Auswirkungen auf die potentiellen Sammelobjekte, das Sammlerbegehren und deren wahrscheinliche Verfügbarkeit.
Ein klarer Vorteil des Porzellansammel-Hobbys besteht darin, dass es auch einmal liegen bleiben darf. Verschiedene Nachteile sind hier allerdings anzusehen: Die Zerbrechlichkeit, der unsichere, weil teils stark nachfrageorientierte, Werte-/Preis-Verlauf, der große Platzbedarf.
Sammelinhalte konkretisieren
Große Sammlungen, die auf dem Prinzip eines Gefällt-mir beruhen sind selten. Fast jeder Sammelnde hat eine eigene Sammelgrundstrategie: Sammeln längs
einer Form,
eines Dekors,
einer Epoche,
einer Region
oder einer Firma.
Und damit sind auch die fünf grundlegenden Sammelkategorien benannt. Die Reihenfolge dieser Kategorien hat enorme Auswirkungen auf die Sammlung.
Die Form
Isolierte Formthemen gibt es reichlich: Im Bereich des Gebrauchsgeschirrs sind die Eierbecher, Kannen, Menagen, Milchkännchen, Servierplatten/Henkelschalen, Salz-/Pfeffergefäße, Schalen/Henkelschalen, Tabletts, Tassen/Gedecke, Terrinen/Ragout, Zuckerdosen und und und. Im Bereich des Zierporzellan sind dies beispielsweise Figuren mit unterschiedlichsten Motiven von Alltagsszenen über Persönlichkeiten bis Tieren, Deckeldosen, Medaillen, Vasen. Auch Gebrauchsgegenstände wie Ascher, Kerzenhalter, Streichholzständer, Schreibzeug oder medizinisches Porzellan/Hygieneporzellan wie Nachttöpfe, Seifenschalen, Wasserkannen, Zahnbürstenkasten, Mörser, Krankentassen, Spucknäpfe oder technisches Porzellan wie Isolatoren, Lampenfassungen, Schalter, Sicherungen und vieles mehr sind als Sammelthema denkbar.
Oftmals sind es ganze Sets, die gesammelt werden, wie Eierservice, Herrenzimmerausstattung, Küchengarnituren, Mokkaservice, Schalenset oder auch Kaffeeservices, Teeservices oder Speiseservices usw.
Der Dekor
Die Vielzahl an Dekoren ist fast unvorstellbar: Grundsätzlich zu unterscheiden sind Dekore unter der Glasur platziert von solchen auf der Glasur.
Es gibt eine große Zahl von Unterglasurdekoren von Zwiebelmuster bis Strohmodell, von abstrakten Dekoren bis Landschafts- und Tiermalerei. Einschränkend ist lediglich die Verfügbarkeit der Unterglasurfarben, da es deutliche Lücken in der Farbpalette gibt.
Bei Dekoren auf der Glasur mangelt es nicht an Themen und praktisch jede Farbe ist denkbar: handgemalte Dekore, Schiebebilddekore, Spritzdekore, Metalldekore wie Gold-, Silber-, oder Platinverzierungen und -beschriftungen. Insbesondere auf der Glasur dekoriert wurden viele Andenken- und Werbestücke und Sammlerausgaben gefertigt und auch viele Einzelstücke. Auch gibt es Ätzdekore oder Schlickerdekore, welche eine flache Reliefierung ermöglichen. Die Variantenanzahl steigt auch noch durch Ausstattungsvarianten einer Dekorlinie wie beispielsweise Vollvergoldung, breiter oder schmale Goldstreifen oder goldene Konturierungen.
Dass der Dekor selbst Teil des Porzellanscherbens ist, meist als Relief ausgeführt, kommt seltener vor genau wie unglasiertes Porzellan. Typisches Beispiele sind eine Rippung, abstrakte Oberflächenverzierung mit Blümchen oder Blättern, Korbgeflecht oder barockartige Randungen, zu finden sind aber auch beispielsweise Alltags(szenen)motive und vieles mehr.
Ein weiteres Sondersammelgebiet ist hier das Thema der Porzellanmarkung, wenn sie weitere Informationen enthält wie Angaben zur Form und des Dekors oder des ursprünglichen Porzellanabnehmers. Hierzu zählen auch Probebrände oder Musterteile.
Die Epoche
Nicht in jeder Sammlung spielt der Zeitbezug eine Rolle. Wenn doch ist meist eine Epoche im Mittelpunkt – oder ein Stil aus einer Epoche: Barock, Rokoko, Empire, Klassizismus, Gründerzeit, Jungendstil (streng symmetrisch, floral), Art Deco (Gezackt & Getreppt, Bauhaus), Moderne, Postmoderne o.a.
Neben Stücken aus der ursprünglichen Zeit gibt es häufig auch nachgemachtes Porzellan (Repliken). Insbesondere sehr altes Porzellan kann auch auf alt gemachtes illegal nachgemachtes Porzellan sein mit der Absicht ein hohes Alter und eine besondere Herkunft hervorzutäuschen; bei solchen Stücken ist eine Unterscheidung teilweise sehr schwierig und selbst für Experten nicht immer möglich. Dies betrifft oftmals renommierte Firmen. Aber auch Nischenmärkte mit hohem Devotionaliencharakter, wie beispielsweise SS-Porzellan, bedienen die Nachfrage häufig mit Fälschungen oder Phantasiestücken.
Die Region
Der Bereich der Region kann sich auf den Hersteller oder den Dekor beziehen. Die Herstellerregion kann sich auf einen ganzen Kontinent beziehen, aber auch auf ein Land, einen Bezirk oder einen Ort oder in Anlehnung an einen bestimmten örtlichen (Kunst-)Stil wie beispielsweise die Chinoiserie.
Stilistisch kann damit gemeint sein: Motiv über einen Ort (meist als Souvenir hergestellt) oder aus einer bestimmten Region (wie China, Japan, Deutschland, Sachsen, Thüringen, Oberfranken, Meißen, Eisenberg, Selb usw.).
Die Firma
Meist fokussiert sich eine Sammlung, sofern an einer Firma ausgerichtet, sehr streng daran; ob Königlich Meissen, KPM Berlin, Nymphenburg München, Hoechst, Rosenthal oder eine andere renommierte Firma. Seit 1710 gab es allein im deutschsprachigen Raum mehrere tausend Porzellanhersteller und -dekorateure, wenn auch viele nur für wenige Jahre und nur einige mit ununterbrochener Herstellungszeit.
Hier ist meist besonders wichtig, dass die einzelnen Teile eine Herstellermarkung/Porzellanmarke tragen. Allerdings war es bis zum Ende des II. Weltkriegs nur in wenigen Porzellanfabriken üblich, konsequent alle Geschirrteile mit der Fabrikmarke zu versehen. Denn alleinstellende Formmerkmale gab es erst mit dem Geschmacks- und Gebrauchsmusterschutzrecht oder bei künstlerisch aufwändig gestalteten Figuren und anderem Zierporzellan, deren Nachahmung meist nur in gröberer Ausführung möglich war, wenn die originalen Gießformen fehlten.
Das Sammelkonstrukt
Wirklich komplexe Sammlungen sind selten. Oftmals finden sie sich nur im Museum oder einem entsprechenden Porzellanfreunde-Verein. Sammlungen, welche aus den ersten Jahren gebranntes Porzellan einer Firma bis zum letzten Brand umfassen stellen eine Ausnahme dar.
Innerhalb des Gebietes einer Region oder Firma ist es meist ein Dekorationsstil oder eine Epoche, die hier bevorzugt werden oder ein Formenthema.
Häufig ist es aber ein bestimmter Dekor wie Strohhalmmuster/Indisch-Blau oder Tausendschön (Rosenborte) oder ein anderes Motiv, welches hier sammlungsführend ist. Sammlungen dieser Art lassen sich viel leichter aufbauen, da die Verfügbarkeit von Teilen im Sekundärmarkt größer ist.
Musterporzellan
Die Erfindung der Mustermesse im Jahr 1895 war ein entscheidender marktverändernder Schritt für viele Hersteller. Zuvor war eine Messe nichts anderes als ein auf überregionaler Ebene stattfindender Markt.
Statt ganzer Services zu kaufen wird nunmehr bestellt. Erhältlich sind heute noch Messemuster in Form von Arbeits- und Brandmuster, die die Leistungsfähigkeit eines Porzellanherstellers zeigen sollen. Oftmals ist unterseitig unter der Porzellanmarke der Form- und Dekorname eingebrannt.
Probebrände von Porzellanwaren sind eher selten, da diese nicht gehandelt wurden, sondern oftmals entweder zerstört oder ggf. verschenkt wurden.
Nippes oder Thüringer Artikel
Der Übergang zwischen Nippes und Thüringer Artikeln ist immer dann fließend, wenn Zier- und Gebrauchsporzellan zusammentreffen wie beispielsweise bei Salz- und Pfefferstreuern, Eierbechern, Deckeldosen, Vasen oder Aschenbechern.
Sonstige Strategien
I. Was tun, wenn ein Sammelgebiet so weit erschlossen ist, dass neue Teile zur Seltenheit werden? Die Jagd intensivieren, aufhören oder ein anderes Sammelgebiet eröffnen? Sicher, jenseits von Porzellan gibt es noch viele interessante Sammelgebiete. Nur nach einer Infektion mit Porzellansammelleidenschaft ist es nicht so leicht, das Gebiet zu wechseln; meist gelingt dies nur bei völliger Abkehr. Und Was mit der Sammlung? Verkaufen oder einlagern?
II. Welche Informationsquellen benötigen Sammler? Systematisches Sammeln bedingt tiefes Wissen. Die häufigste Quelle sind Herstellerkataloge und andere Werbedruckerzeugnisse; im Umlauf sind häufig Fotokopien und nur selten Originale oder Sekundärliteratur. Die Verfügbarkeit solcher Papiere ist allerdings stark begrenzt und selbst die Einsichtnahme ist nur selten möglich.
III. Wie sollte sich ein Sammler in einer Situation verhalten, in der er an relativ seltene Teile seines Sammelgebiets gelangen könnte, aber der Preis gefühlt zu hoch ist? Aus meiner Erfahrung gibt es immer wieder diese Situation – da ist ein Angebot, welches sich evtl. nur einmal im Leben eröffnet hat und dann ist der Preis um den Faktor drei bis zehn zu hoch. Trotzdem zuschlagen oder lassen? Es ist nicht ganz einfach hier einen guten Rat geben zu können, aber letztlich sollte hier einerseits nicht übersehen werden, dass solche Käufe den Markt preislich nur weiter anheizen und der Kauf von Porzellan nur erfolgen sollte, wenn das Geld wirklich übrig ist; oder die Sammlernot ist einfach zu erdrückend, wenn man die Gelegenheit verpasst ...
Warum porzellanfieber.de?
Um die Erinnerung an das Eisenberger Porzellan wach zu halten, wurden diese Internetseiten erstellt.
Da in Eisenberg von vielen verschiedene Firmen respektive Inhabern Porzellan hergestellt oder verziert wurde, und das über fast 200 Jahre hinweg, handelt es sich hier um ein komplexes Themengebiet. Über die Zeit findet sich immer wieder sehr hochwertig gestaltetes und gefertigtes Porzellan, allerdings wurde auch viel „von der Stange“ gefertigt, also nur sehr einfach gestaltetes und wenig aufwändig dekoriertes Porzellan für die Verwendung im Alltag. Bedauerlicherweise ging durch die beiden Weltkriege viel persönliches Herstellungswissen auf dem Schlachtfeld verloren und der Wiederaufbau dieses Wissens brauchte dann eine neue Generation an Porzellinern. Entsprechend unterschiedlich war die hergestellte Qualität des Porzellans.
Das Herstellungsspektrum reichte von Gebrauchsporzellan bis festlichen Porzellan, aber auch viel Nippes von Figuren bis Porzellanschuhen wurde hergestellt. Beliebtes Dekor ist das handgemalte Strohhalmmuster respektive gestempelte Indischblau.
Das Teilen um das Wissen zu diesen Firmen ist eine langanhaltende Aufgabe, da es in Eisenberg selbst derzeit keine fachbezogene Anlaufstelle wie einen Porzellanverein oder auch nur einen Geschichtsverein gibt. Auch sind die betrieblichen Überbleibsel, konkret so Dinge wie Kataloge oder andere Werbeschriften oder gar firmeninterne Unterlagen zu den Formen oder Dekoren entweder bereits verloren oder in fest verschlossener privater Hand, was die Bearbeitung teils unmöglich macht.
Für das Projekt porzellanfieber.de wird insbesondere Werbematerial der Eisenberger Porzellanhersteller gesucht genau wie Porzellane von den Anfängen bis etwa Mitte der 1920er Jahre. Gerne können Sie sich melden, wenn Sie entsprechende Materialien weitergeben wollen. Und bis dahin wüsche ich allen Sammlern viel Freude an ihrem Hobby.