Hintergrund • Reichsbetriebskartei • 1934 - 1945 • Reichsbetriebsnummern (R.B.Nr.)

Einleitende Worte

In der Spätphase des II. Weltkrieges wurde die Herstellerangabe von rüstungsrelevanten Gütern zum Zwecke der Geheimhaltung durch eine Nummernkenn­zeichnung, die Reichsbetriebs­nummer, ersetzt; dies half beim Schutz der teils kriegswichtigen Industrie, nachdem Anfang 1943 mit der Ausrufung des »totalen Krieges« das ganze Deutsche Reich zum Kriegsgebiet erklärt worden war.
Ein Gedankengang in dieser oder ähnlicher Form ist immer wieder lesbar - doch das macht ihn nicht zwangsläufig richtig und wahr.
Weiter ist auch die Annahme, nur rüstungsrelevante Betriebe haben eine R.B.Nr. erhalten, nicht belegbar.

Reichsbetriebskartei

Es begann schon 1934

Tatsächlich wurde die Einführung einer Betriebsnummerierung bereits ab 1934 zum Zwecke eines effektiveren »maschinellen Berichtswesens« für notwendig erachtet und geschaffen und dazu wurde die Reichsbetriebskartei aufgebaut. Hintergedanke war eine überschaubarere und überwachbarere Arbeitskräftezuordung zu den Fertigungsstätten und Dienstleistern sowie andererseits die effektivere Steuerung bei der Verteilung der Rohstoffe und Fertigerzeugnisse. Ab 1943 wurde die Reichsbetriebsnummer vorzugsweise auf Fertigerzeugnisse als Herstellerangabe aufgebracht und ersetzte die klar lesbaren Firmennamen. Die scheinbare Anonymisierung der Betriebs­stätten auf der Produktebene wäre somit nur als ein willkommener Nebeneffekt anzusehen.

Erweiterung der Ortskreise im Kriegsverlauf

Bedingung für ein maschinell verarbeitbares Berichtswesen war die Schaffung einer Identifikationsnummer für jedes einzelnen zu erfassende Unternehmen. Firmen in einem Gebiet wurden dazu über eine Ortskreisziffer zusammengefasst. Vereinzelt wurden im Rahmen von Gebietsreorganisationen Ortskreise geändert (insbesondere 1942).
Dabei zu beachten ist, dass unterschiedliche Namen für Ortskreise sich aber meist aus der Tatsache ergeben, dass in einem Kreis mehrere Orte zusammengefasst waren und statt der offiziellen Ortsbezeichnung für die Ortskreisziffer der Standort, also der Ortsname, des Unternehmens bezeichnet wurde. Hieran lässt sich schnell erkennen, wie wichtig die Quellenangabe zwecks Nachvollziehbarkeit zu einzelnen Firmendatensätzen werden kann.

Ausdünnung der Kartei im Kriegsverlauf

Des Weiteren wurden alle Betriebe, welche im Kriegsverlauf aus dem Programm der Ressourcen- und Arbeitskräftesteuerung gestrichen wurden auch aus der Reichsbetriebskartei entfernt und es blieben nur vergleichsweise »kriegswichtige« Unternehmen mit den jeweils jährlich aktualisierten Daten in der Kartei und damit erhalten. Der Aktualitätsstand der meisten erhaltenen Reichsbetriebskarten ist das erste Halbjahr 1944, da im darauffolgenden Jahr die Aktualisierung nachrangig gesehen wurde.
 

Die Systematik der Ziffernfolge

Die neunziffrige Reichsbetriebsnummer wurde in drei Zahlenblöcken mit Schrägstrich getrennt geschrieben und sieht schematisch wie folgt aus:         0/0000/0000
Ein Beispiel von der Unterseite eines Bechers (Kantinenporzellan):         R. B. Nr. 2/0906/5043         0/0906/5043
 
Der Stempel ist nur schwer lesbar.
Die führende »0« steht für »Industrie« (Reichsgruppenleitzahl), die mittlere Zahlengruppe »0906« (Kreis-/Ortskennziffer) steht für »Selb (Oberfranken)« und die hintere Zahlengruppe »5043« steht für eine bislang nicht identifizierte Porzellanfabrik.

R.B. Nr. Reichsgruppenleitzahl Orts-/Kreiskennziffer Betriebsnummer
Ziffern-
block
1 2 3
Ziffern-
stellen
1 2-5 6-9
Bedeu-
tung
Die einstellige Zahl steht für die Reichsgruppen der gewerblichen Wirtschaft (Branche):
Reichsgruppenleitzahl
0 Industrie
1 Handwerk
2 Handel
3 Banken
4 Versicherungen
5 Energiewirtschaft
6 Fremdenverkehr
7 Verkehr
8 Ernährungswirtschaft
9 sonst nicht genannte Gruppen
Die vierstellige Zahl steht für die geografische Lage des Herstellers/Unter­nehmens.
Dabei gilt: Die erste Ziffer ist entweder »0« für Reichsgebiet bis 1937 oder »1« für ab 1937 hinzugekommene Terri­torien. Mit der zweiten Ziffer lässt sich das Gebiet, in dem der Ort liegt, grob abschätzen:
Reichsgebiet bis 1937
00 Ostpreussen
01 Mark Brandenburg
02 Pommern, Berlin
03 Sachsen, Thüringen
04 Hannover, Hamburg,
Weser-Ems, Oberschlesien
05 Westfalen, Köln-Aachen,
Nieder-Rhein
06 Rhein-Main, Westmark
07 Baden, Württemberg
08 Südbayern
09 Nordbayern
Neue Territorien ab 1937
10 Donauland, Alpenland
11 Sudetenland
12 Böhmen und Mähren
13 Wartheland
14 Generalgouvernement
20 Elsass und Lothringen, Luxemburg
Einzel­beispiele:
Orts-/Kreiskennziffer
0250 Berlin
0337 Gotha, Stadt- und Landkreis
0342 Weimar, Stadt- und Landkreis
0354 Stadtroda
0356 Jena, Stadtkreis
0357 Gera
0361 Reichenbach, Stadtkreis
0394 Meißen, Stadt- und Landkreis
0905 Rehau
0906 Selb
0907 Wunsiedel
0951 Erlangen, Stadt- und Landkreis
0966 Weiden, Stadtkreis
Die vierstellige Zahl wurde fortlaufend vergeben für die jeweiligen Gebiete und Wirtschaftsgruppen.

R.B.Nr.n verschiedener Fabriken der Kreiskenn­ziffer 0354 (Stadtroda) mit jeweiliger RBK (Reichs­betriebskarte) mit Stand 1. Quartal 1944 (Quelle: Bundesarchiv) als Anschauungsbeispiel, wie diese Karten aufgebaut und befüllt sind:
R.B.Nr. Firma Bild
0/0354/0001 Eisenberger Metallwarenfabrik, Prässler & Steudemann Bild der Reichs­betriebskarte
0/0354/0002 unbekannt  
0/0354/0003 Eisenberger Etuisfabrik, Max Retsch Nachf. Bild der Reichs­betriebskarte
0/0354/0004 unbekannt  
0/0354/0005 Hermsdorf Isolatoren, Zweignieder­lassung der Porzellanfabrik Kahla Bild der Reichs­betriebskarte
Bild der Reichs­betriebskarte
0/0354/0006 Linus Lauckner Metallwarenfabrik Herms­dorf Bild der Reichs­betriebskarte
0/0354/0030 Gebr. Kaempfe GmbH, Eisenberg, Schamottsteine .

Die Eisenberger Porzellanfabriken
»Wilhelm Jäger« und »Bremer & Schmidt« sollten, da sie mindestens bis Ende 1942 für die Kriegs­marine bzw. die Wehrmacht produziert hatten, eine R.B.Nr. gehabt haben. Diese ist bislang unbekannt. Unbekannt ist allerdings auch, ob 1943/44 noch Ausrüstungsgegenstände aus Porzellan für das Militär gefertigt wurden; derzeit ist davon auszu­gehen, dass dies nicht der Fall war.
Darüber hinaus sollten auch »Kalk« sowie »Rei­necke« anfangs jeweils eine R.B.Nr. zugeteilt bekommen haben, welche ebenfalls nicht bekannt sind. Die Eigen­tümer der letztgenannten Porzel­lanfabriken hatten allerdings eine Zusammen­arbeit mit dem NS-Regiem verweigert, so dass für diese eine maschinenge­stützte Ressourcensteuerung hinfällig war.
Tab.: Systematik der Reichsbetriebsnummer.
 

Bekannte Porzellanfabriken

Es ist davon auszugehen, dass die meisten Porzellanhersteller 1934, oder in den Folgejahren, eine R.B.Nr. erhielten. Da diese aber erst im Laufe des II. Weltkriegs durch die Ressourcenverteilung respektive Mangelwirtschaft, insbesondere für die Rüstungsindustrie, hohe Bedeutung erlangte, und die Reichsbetriebskartei im Zuge des Krieges jährlich überarbeitet wurde, sind nur wenige Nummern derzeit auffindbar. Die nachfolgende Tabelle wird erweitert, wenn neue Informationen vorliegen.
 
RB.Nr. Ortskreis (Bezirk) Firmensitz Firma (Firmenhauptzweck)
0/0365/5239 Saalfeld (Thüringen) Rudolstadt-Volkstedt Staatl. Thür. Porzellanmanufaktur GmbH (Künstlerische Porzellane, Spez. Spitzenfiguren)
0/0370/0095 Stadt- u. Landkreis Zwickau (Sachsen) Oberhohndorf Friedrich Kaestner Porzellanfabrik GmbH (Gebrauchsporzellan)
0/0395/5040 Stadtkreis Freital (Sachsen) Freital-Potschappel Sächs. Porzellanfabrik z. Potschappel v. C. Thieme (Handgemalte Gebrauchs- u. Luxusartikel)
0/0850/5477 Stadt- u. Landkreis München (Oberbayern) München-Nymphenburg Staatl. Porzellanmanufaktur Nymphenburg A. Bäuml (Porzellanfabrikation)
0/0905/7014 Rehau (Oberfranken) ?
0/0906/0002 Selb (Oberfranken) Selb Heinrich & Co.
0/0906/0003 Selb (Oberfranken) ?
0/0906/0004 Selb (Oberfranken) Selb Rosenthal-Isolatoren-GmbH.
0/0906/5043 Selb (Oberfranken) ?
0/0906/???? Selb (Oberfranken) Selb Rosenthal
0/0906/???? Selb (Oberfranken) Selb Hutschenreuther
0/0966/0006 Weiden (Oberpfalz) Weiden Porzellanfabrik Weiden, Gebr. Bauscher (Hotellporzellan, feuerfeste Koch- und Backgeschirre)
0/0966/5028 Weiden (Oberpfalz) Weiden Porzellanfabrik Christian Seltmann GmbH (Tischporzellan, Kochgeschirre)
0/1128/0003 Trautenau (Sudetenland) Schatzlar Porzellanfabrik Schatzlar Theodor Pohl (Elektrotechnisches Hoch- und Niederspannungsporzellan)
0/1167/0004 Elbogen (Sudetenland) Grünlas Porzellanfabrik R. Kämpf GmbH (Erzeugung von Porzellan-Gebrauchsgeschirren)
 

Teilweise Ungeklärtes

Mitunter finden sich auf Gegenständen Nummern nach dem Schema der R.B.Nr., welche aber Abweichungen von der ursprünglichen Systematik enthalten. Die Bedeutung hierzu ist nicht immer geklärt.
  • Anstatt einer vierstelligen Kreiskennziffer stehen ein/zwei Buchstabe/n gefolgt von einer zweistelligen Zahl. Beschrieben wurden die Buchstaben: »Os«, »B«, »Bl«, »Bi« oder »D.«. (Leider liegen für eine ausführliche Betrachtung die vollständigen Codes sowie die dazugehörende Benennung der Gegenstände nicht vor.)
  • Darüber hinaus findet sich mitunter statt der einstelligen Reichsgruppenleitzahl eine zweistellige Zahl. Diese ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Code für die Betriebsnummern der DDR in der Zeit nach dem II. Weltkrieg; beispielsweise »62« für »Lederverarbeitung«.
 
 

Quellennachweis/Zitation

Quellen und Weiterführendes Bitte beachten: Keine Haftung für Inhalte fremder Internetseiten

  • Genaue Unterlagen/Listen/Betriebskarteikarten finden sich ggf. im Bundesarchiv in Koblenz oder anderen Bundesarchiven. Allerdings mit einer bedeutenden Einschränkung: Da die Reichsbetriebskartei bis zum Schluß geführt wurde, finden sich überwiegend nur Karten mit Gültigkeit ab 1944 darinnen.
  • https://invenio.bundesarchiv.de/invenio/login.xhtml (Quelle für die Eisenberger Karten) [Suche ohne Anmeldung ⇰ Suche ⇨ Reichsbetriebskartei ⇰ R 3 Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion ⇨ 4 Rüstungsamt ⇨ 4.5 Reichsbetriebskartei ⇨ (⇗) Digitalisat anzeigen] Bitte beachten: Keine Haftung für Inhalte fremder Internetseiten
  • »Handbuch der deutschen Aktiengesellschaften« von 1943/44 aus Berlin, oder »Handbuch der großen GmbH, KG, OHG, Einzelfirmen« von 1943/44 ebenda.
  • W. Lauersen: Organisation und Aufgaben des Maschinellen Berichtswesens des Reichsministers für Rüstung und Kriegs­produktion, Hamburg, den 5.12.1945, Bundesarchiv Koblenz, R 3/17 a.
  • Erlass zur Einführung von Firmennummern zur Erleichterung der Erstellung von Maschinen-Statistiken (Reichsbetriebs­nummern)
  • https://reichsbetriebsnummer.com von Marco Hoffmann. Bitte beachten: Keine Haftung für Inhalte fremder Internetseiten
  • http://www.warrelics.eu/forum/heer-luftwaffe-kriegsmarine-uniforms-third-reich/reichsbetriebsnummer-rb-numbering-system-239110/
  • https://forum.axishistory.com/viewtopic.php?t=225050
  • http://www.passionmilitaria.com/t33953-reichsbetriebsnummer-rbnr
  • http://www.trend.infopartisan.net/trd7899/t507899.html
  • https://ddrfahrradwiki.de/Betriebsnummer (Betriebsnummern der DDR) Bitte beachten: Keine Haftung für Inhalte fremder Internetseiten.
  • http://www.feldblusen.de/39.html (inzwischen offline).
 

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©  2012  – 
by Günther Schleu
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