Thüringer Jahrbuch

28. Jahrgang des „Thüringer Kalender“
1929
POLITIK UND WIRTSCHAFT
KUNST UND WISSENSCHAFT
IM LANDE THÜRINGEN

Herausgegeben von
Oberbürgermeister
Dr. Scheffler
Gotha

Helingsche Verlagsanstalt
Leipzig

Auszug der Seiten 41 - 53

Die Thüringer Porzellan-Industrie in ihren Anfängen

Von W. Stelljes, Eisenach

1. Volkstedt

Als Gründer dieser Fabrik, ja als wirklicher Erfinder des Porzellans in Thüringen ist an erster Stelle Georg Henrich Macheleid in Sitzendorf zu nennen. In Cursdorf am 16. Oktober 1723 als Sohn eines Laboranten, eines Mannes, der sich mit der Herstellung von Pillen und Latwergen, mit Kräutertee und Heilsalben befaßte, geboren, lag ihm die Neigung zu den Naturwissenschaften als väterliches Erbe bereits im Blute. Er widmete sich in Jena dem theologischen Studium, aber er verabsäumte nicht, auch die Vorlesungen des damals berühmten Physikers Hemberger zu hören. Es mag dies in den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts gewesen sein. Die sächsische Porzellanfabrik in Meißen stand in hoher Blüte, jedoch wurde die Herstellung des echten Porzellans noch als strengstes Geheimnis gehütet. Hemberger hatte in einer seiner Vorlesungen auch vom Porzellanscherben gesprochen, den er als eine Mischung aus Ton und Kieselerde bezeichnete. Diese Erklärung hatte sich so in die Seele des jungen Theologen eingegraben, daß der Gedanke, ebenfalls Versuche anzustellen, um Porzellan zu brennen, ihn nicht verließ, als er schon längst seinem frommen Berufe nachging. Ja, die Idee wuchs dermaßen in ihm — es war ja das Zeitalter der Adepten und Goldmacher! — daß er, als er schon 99mal gepredigt hatte, kurzerhand seinen Beruf aufgab, um sich ganz seinen Versuchen hinzugeben, die Zusammenstellung des Scherbens zu ergründen, dessen Verarbeitung damals goldene Berge verhieß.
Doch alle seine Versuche, aus Sand und Tonerden der verschiedensten Art Porzellan zu brennen, waren vergeblich geblieben. Die Fehlschläge hatten ihn zum Eigenbrödler gemacht, grillig und unzugänglich. Da brachte ihm eines Tages eine wandernde Händlerin weißen Streusand. Von diesem verwandte er, als es ihm später zu einem Experiment an Sand gebrach, einen Teil, und diesmal lachte ihm endlich das Glück: er erhielt im Brand wirkliches Porzellan. Allein seine Freude über den lang und heiß ersehnten Erfolg war nur von kurzer Dauer. Als sein kleiner Streusandvorrat verbraucht war, hatte es auch mit seinem Porzellanbrennen ein Ende, da er nicht wußte, woher er sich den Sand beschaffen sollte. Die Frau zu fragen, wo sie ihn gefunden, daran hatte er nicht gedacht. Er begann in der Nachbarschaft herumzufragen, ob jemand die Händlerin kenne, aber niemand vermochte ihm Auskunft zu geben. Verzweifelt machte er sich auf die Suche nach dem Wundersand. Weit und breit irrte er umher; in Tälern und auf den Höhen suchte er, bis er endlich den Stoff fand, aus dem man echtes Porzellan zu brennen vermochte. —
In seiner verdienstvollen Arbeit über die Volkstedter Porzellanfabrik,(1) schreibt Geheimrat Stieda, daß neben anderen wichtigen Akten und Papieren, die die Fabrik und ihre Erzeugnisse in den ersten Anfängen berühren, es ganz besonders zu beklagen sei, daß die Aufzeichnungen über die Porzellanbereitung und die Farben von der Hand Macheleids und dem älteren Greiner verlorengegangen  seien. Ein glücklicher Zufall hat es gefügt, daß gerade das wichtigste Schriftstück, in dem Macheleid eigenhändig seine Erfindung beschreibt, wieder aufgefunden worden ist und in den Besitz der direkten Nachfolgerin seiner eigenen Gründung, der Ältesten Volkstedter Porzellanfabrik gelangte, der wir auch an dieser Stelle unseren wärmsten Dank dafür aussprechen, es uns zur Veröffentlichung überlassen zu haben.
Da es sich um ein Manuskript von 23 Folioseiten handelt, können wir es nur auszugsweise in seinen wichtigsten Teilen wiedergeben. Die Titelseite (siehe Abb.) lautet:


Titelseite des Manuskriptes

In dem Nahmen des Allmächtigen und ewigen Gottes
Wahrhaftig — und ausführl. Process ein würkl. ächtes Porcellain in den Fürstl. Schwarzburg Rudolstädtisch Landen in der grösten Menge zu verfertigen
So viel bisher in diesser geheimen Kunst zu erforschen, nur möglich gewessen, hierdurch getreulich, aufrichtig, und ohne den mindesten Hinterhalt entdeckt, und von Wort zu Wort deutl. beschrieben von mir selbst dem Erfinder
Georg Henrich Macheleid.
Sitzendorff, d. 14. April
Im Jahr nach Christi Geburth MDCCLXII.

Dann beginnt er seine Abhandlung in breitester Deutlichkeit vorzutragen. Er teilt sie in drei Abschnitte ein: 1. Von der Porzellan-Masse, 2. Von der Porzellan-Glasur, 3. Vom Porzellan-Brennen. Am meisten interessiert hier der erste Abschnitt, der von der Auffindung der Porzellanerde, deren Gewinnung und Aufbereitung handelt. Er schreibt: 

I.
§.2. Was die Porcellan-Masse anlangt, so ist erstl. der Ort, wo die Materie befindl. daraus die Masse gemacht wird, zu offenbahren. Jenseit oder unterhalb Königsee fliesset ein kleines Wasser, die Rinne genannt. Diesses führt einen häuffigen Sand bey sich. Geht man demselben aufwärts nach bis nahe an die Gerichts Stelle ohngefehr da, wo der Weg nach Zella gehet, so entdeckt sich rechter Hand ein meist weisses Sandgebürge. Und eben diesses ist die Vorrathskammer von fast unerschöpfl. Porcellan-Materie; und solches um so merkwürdiger, da alles, was nur zum Porzellan, als Masse und Glassur nöthig ist, und erfordert wird, allhier beysammen anzutreffen. ln der That etwas sonderbahres und ein grosser Vorzug diesses Orts, der übrigens beynahe gantz unfruchtbar ist.


Gefesselte Sklaven nach Bronzen von Pietro Tacca, zirka 41 cm hoch Potpourri-Vase mit Jäger

§.3. Es ist näml. Nichts anderes, als ein blosser Sandstein, der an diessem Orte in so grosser Menge vorhanden, darinnen ich durch göttl. Beystand die schönste, und vortrefflichste Porcellan-Masse entdeckt habe. Doch muss ich hier zugleich erinnern, dass hierzu nicht ein jeder Sandstein ohne Ausnahme, sondern nur ein gewisse und besondere Art desselben dienlich sey, Porcellan daraus zu verfertigen. Daher es nöthig, den Unterschied der Sandsteine überhaupt, und die Kennzeichen desjenigen insbesondere, der zum Porcellan taugl. hier anzuführen, hernach aber auch die Probe oder die Art und Weisse mittelst der man in kurzer Zeit einen jeden Sandstein auf das genaueste untersuchen und probieren kann, ob er zur Absicht, Porcellan daraus zu machen, geschickt sey oder nicht, anzuzeigen.
§.4. Der Sandstein überhaupt ist Nichts anderes, als ein aus einer Menge anderer kleiner Steinlein, die meist von der Natur des Kiessels, und daher chrystallisch sind, aber ein aus Sand bestehender, und weniger oder mehr feste zusammen gebackener Stein. Verschieden ist er in Ansehung seiner Farbe, indem es weissen, gelben, rothen, schwartzen und dergl. giebt, in Ansehung seines Kornes, indem er theils klar theils grobkörnig; und endl. auch in Ansehung seiner Consistenz oder Verbindung indem er entweder hart oder weich ist. Derjenige nun, der zum Porcellan dienen soll, muss
a) schön weiss seyn, weil er desto weisseres und schöneres Porcellan gibt, je weisser er ist. Die bisweilen in demselbigen befindl. gelben Adern und  schwärzl. Flecke schaden ihm gewiss, wenn sie nicht häufig, aber nicht viel. Der meist gelbl. Sandstein braucht deswegen nicht weg geworfen zu werden. Man kann ihn zu einer schlechten und geringeren Art von Porcellan gebrauchen, so zu verschiedenen Arten von Geschirren noch immer vortreffl. dienet.
b) Muss der Sandstein auch so weit mögl. grobkörnigt seyn, und wenn man ihn genau betrachtet, zwischen den groben und kiesselartigen oder chrystallischen Körnern oder Sand eine andere weisse staubigsten zarten Erde gleichsam wie eingesprengt bey sich führen; inmassen diiesses eben die eintzige und wahre Porcellan-Erde. Es lässt sich zwar der klar körnigte Sandstein, wenn er die porcellan-Erde bey sich führet, zur Noth auch gebrauchen, und gibt eine Art Porcellan, welches aber noch lange nicht so fein und weiss, als das von dem grob-körnigten Sandstein ist. Es fällt aber diesser klar körnigte Sandstein etwas ins Graue, ist sehr weich, so dass er im Wasser von sich selbst zerfället, führt die leimigte zarte Erde sehr häufig bei sich, und stehet in dem Sand-Gebürge in einer besonderen Lage oben auf.


Fünf Musikanten je zirka 14 cm hoch
Gewürzverkäufer zirka 18 cm hoch, Sauhatz, Durchmesser zirka 30 cm

c) Muss der zum Porcellan dienl. Sandstein auch milder und weich seyn, so dass, wann er sonderl. vom Wasser angefeuchtet, und von demselben durchdrungen ist, er sich zwischen den Fingern zerdrücken lasse, und alsdann einen weissen Saft einer Milch gleich von sich gebe, welches eben die thonigte zarte Erde ist, so zum Porcellan gebraucht wird. Diesse weiche Consistenz macht ihn inzwischen überaus zur Preparation geschickt, zum Bauen aber desto untauglicher, indem er im Wetter nicht dauert, und sonderl. im Regen leicht aufgelösset und zerstöret und daher auch von den Bauleuten verworffen, und nur der faule Stein genennet wird, damit er ja zu sonst weiter Nichts als zum Porcellan nütze, und dazu gebraucht werden soll.
§. 5. Hier aus nun erhellt von selbst, wie man den Sandstein zu probieren habe, um zu wissen ob er zum Porcellan dienl. sey oder nicht. Man darf ihn näml. nur klar stampfen, alsdann in ein Gefäss reines Wasser werffen, damit umrühren, und Acht haben, ob das Wasser trübe wird, sich wie Milch färbte, auch sich bald wieder setze, und heller wird; als welches ein offenbahres Kennzeichen reiner. gegenwärtiger subtiler und leimigter Erde. Um aber gewiss zu seyn giesse man das allso getrübte Wasser von dem groben zu Boden liegenden  Sand ab in ein ander Gefäss; setzt sich in demselben nach einiger Zeit eine zarte thonigte aber fette Erde nieder, die sich, wann sie genugsam abgetrocknet, auf der Töpfers Scheibe wie ein anderer Thon drehen oder tractiren lässt; und hierauf eine lange Zeit dem allerheftigsten Feuer exponiert, dasselbe bestehet, seine Figur behält, und nicht zu einem Glass oder Schlacke schmiltzt, sondern zu einem derben compacten hell durchsichtigem steinartigen Körper fast gleich einem Kiesselstein wird, so ist nichts gewisser, als dassdiesses eine würkl. Porcellan Erde, und der Sandstein, daraus sie entstand, zum Porzellan allerdings dienlich sey.


Vase mit Porzellanblumenstrauß zirka 40 cm hoch,
Zierteller mit plastischen Blumen, Tafelaufsatz, zirka 35 cm hoch

§. 6. Den eigentl. Ort, oder die Wohnung diesses sonderbahren Sandsteins in dem Fürstenthum Schwarzburg den Menschen auch finden zu lassen, hat die Natur an der §2 bezeichneten Gegend einen ausserordentl. tiefen Riss, fast gleich einem tiefen Thal in das Gebürge eingesenkt, oder durch das Wasser in den mürben Boden also hinabgerissen; ohne welchen vielleicht der Versuch, Porcellan in Schwarzburg zu machen, niemals geschehen seyn würde. Er entdecket sich sogleich rechter Hand, wenn man aufwärts über den Fahrweg nach Zella hinüber ist, und nach der Gerichtsstelle hingehet; und ein wenig aus demselben herabkommend, das Wasser verräth ihn. Gehet man ihm aufwärts nach, erblickt man auf allen Seiten Nichts als steile Sandhauffen fast den Dächern gleich. Es erfordert aber keine allzugrosse Mühe, diessen herabgerollten Sand so weit hinwegzuräumen, dass man die von demselben verschütteten Berglagen wahrnehmen kann, die man hie und da auch schon von selbst hervorragen siehet. Da wird man dann finden, dass hier die Natur verschiedene Dinge niedergelegt hat, die dem aufmerksamen Künstler Stoff zu Untersuchungen geben können. Man wird verschiedene Lagen von Erde, Thon und sonderl. von Sand wahrnehmen; wovon die unterste ohngefaehr 3 Bis 4 Lachter unter dem Damm desjenigen kostbaren Sandstein, von dem ich hier rede, und der die vortrefflichste Porcellan-Masse, und Glassur, welche wie ich davor halte etwas sehr sonderbahres, zugleich enthält. Es liegt in einer gantzen und dichten Lage, streichet horizontal vielleicht durch das gantze Gebürge nach allen Gegenden, und so mächtig, dass ich bisher noch nicht habe erforschen können, wie tief es hinabsitzet. Er stehet in grossen Klötzen, die hie und da Klüfte haben, dass man ihn  bequem brechen kann. Er hat sonderl. oben auf einige gelbe Adern von dem in demselben von oben herab hineíndringenden Regenwasser, auch wenige schwärtzl. Flecken sonderlich in den Klüften; es schadet ihm aber nicht, wie ich durch hinlängl. Versuche befunden habe. Meist aber ist er schön weiss, und hat ein grobes, gläntzendes Korn. Dieses ist also die gesegnete Quelle, wo die Porcellan-Materie, wie ich sie nenne, naeml. der mürbe, und so genanndte faule Sandstein in grosser ja unerschöpfl. Menge herzunehmen.


Blau bemaltes Geschirr

§. 7. Aus der § 5. angeführten Probe im Kleinen lässt sich die Art und Weisse, die Porcellan-Erde im grossen abzusondern, und zu preparieren, von selbst schliessen. Es wird naeml. nur die porcellan-Materie, oder der durch die Probe (§ 5.) sich dazu legitimierte Sandstein (vorneml. der schöne weisse, reine und grob-körnigte) ausgesucht, mit eissernem Kolben oder Hämmern in Stücken zerschlagen, und alsdann klargestampft. Welches ich bisher durch Menschen Hände in einem grossen hölzernen Trog, oder aus gehauenen Blech, mit hölzernen Handstämpfeln zwar habe verrichten lassen, viel bequemer aber durch ein besonders von Wasser getriebenes Puch-Rad geschehen kann. Hierauf wird der also gestampfte Sandstein durch ein von eissernen oder messingenen Draht geflochtem Sieb, oder Durchwurf, welches ohngefaehr so grosse Oeffnungen hat, dass es nur kleine Hirsche-Körner hindurch fallen lasst, in ein besonder rein Gefäss, Kübel oder Kasten, oder auch auf einen reinen Boden durchgesiebet, und das, was in den Siebe oder Durchwurf geblieben von neuem mit andern Sandstein klar gestampft, und abermals durchgesiebet. Und also fortgefahren, so lange man will.
§. 8. Aus diessen also durchgeräterten Sandstein Pulver wird nun die Porcellan-Erde mittelst des Wassers geschieden, in dem man damit ein hölzernes geraumes Gefäss, Bottig oder Trog auf den 4ten Theil anfüllet, alsdann mit reinem Wasser, so viel als das Gefäss fasst, überschüttet, wohl umgerühret, den groben Sand sich setzen lässt, und nach kurzer Zeit das obenauf stehende trübe, und leimigte Wasser, so die porcellan Erde als einen weissen Schleim bei sich führet, abzapft, abgiesset, oder welches am Besten abschöpft, und in ein ander rein Gefäss schüttet; hierauf auf den zu Boden liegenden Sand von neuem rein Wasser schüttet, und im Uebrigen wie vorher verfähret; und diesse so lange wiederholet, bis sich das Wasser nicht sonderl. mehr färbt und trübe  wird, oder wenigstens nicht so viel Porcellan-Erde mehr aus dem Bodensatz ausspült, dass es sich der Müh verlohnet. Alsdann lässt man sich die weisse zarte Erde in dem Gefäss, dahin sie mit dem Wasser gebracht worden, zu Boden setzen, giesst das überflüssige Wasser ab, bis es anfängt, trübe zu kommen, trocknet alsdann das Uebrige so gut und bequem als man kann, bis zu gehöriger consistenz, dass es sich mit den Händen tractieren, drehen und formen lässt, so hat man die so begierig gesuchte Porcellan Erde.
ln § 9 beschreibt er genau aber langatmig, wie er den gemahlenen Sandstein auswäscht, um die Porzellanerde zu erhalten.


Zwei große Platten aus dem Fürstl. Schwarzb. Speiseservice m. Wappen, Durchm. zirka 45 cm,
Große Vase mit Blumen zirka 43 cm hoch

§. 10. Auf vorbeschriebene Art wird ohngefäehr der achte bis neunte Theil nach angestellter Probe von dem Sand abgesondert, welches eben die sogenannte porcellan-Erde ausmacht und die beste Kraft des Sandsteins ist. Zurück bleibt ein ordentl. aber schön — weisser und chrystallischer Sand, der, wie ich durch die Probe befunden, das vortrefflichste Chrystallglass giebt. Davon braucht man ohngefaehr auch einen Theil zur Masse, und einen andern zur Glassur, wie hernach berichtet werden soll; die andern 5 Theile ohngefaehr bleiben übrig, und müssen sorgfältig verwahrt, verborgen oder hinweggeschafft werden, dass wenigstens Niemand die Art und Weise wie der Sandstein tractiert, und die Porcellan Erde daraus gemacht wird, aus den vor Augen liegenden vielen überblieb Sachen schliessen kann. Wenn man nicht anders die einen von Gott anvertrauten Geheimnisse auf das Allerunwürdigste Preis geben will.
§. 12. Aus dieser Materie nun oder sogenanndten Porcellan-Erde kann zwar allsobald Porcellain gemacht, das ist, sie kann zu allerhand Gefässen und Bildungen, (wenn sie vorher wie gehörig genugsam durch Kneten, oder gewalkt, verarbeitet, gedreht, geformt und bosiert; alsdann geglüht verglasst und gebrannt worden. Ich haben aber befunden, dass das Porcellan viel schöner, egaler, dauerhafter, auch durchsichtiger und sonderl. nicht so runtzlicht wird, auch nit so schwindet; wenn man diesser porcellain-Erde einen gewissen z. B. den 6ten oder 8ten Theil desjenigen Sanders, der vorher bei der Schllemmung oder Abspülung der Porcellan-Erde zurückgeblieben, und den ich daselbst wohl aufzubewahren verlangt, wenn er vorher auf einer besonders feinen Mühle, wie ich hernach bey Bereitung der Glassur zeigen werde, auf das Kläreste und Zär­teste gemahlen und zerrieben, beysetzt, wohl und genau damit vermenget, darunter knetet und durcharbeitet. Welches dann nun eben die so genanndte Porcellan-Masse ist, deren sich die Dreher und Bossierer allsobald so wie ihre Kunst erfordert, bedienen, und daraus machen können, was sie wollen. Woraus denn zugleich erhellt, dass die Porcellan-Masse von der porcellan-Erde wenig unterschieden, dass sie gantz einfältig und leicht, und ohne sonderl. Kunst und Aufwand zu erhalten, welches wie ich davor halte, eines der vornehmsten und vortheilhaftesten Umstände bey dieser gantzen Sache.
Der zweite Abdruck behandelt die Glasur.
§. 14. Was die Glassur auf das wahre Porcellan anbetrifft, so ist dabey zu unterscheiden
1) die Zubereitung und Zusammensetzung
2) die Auftragung derselben auf das porcellan-Geschirr.
Jene die Zubereitung gehört unter diejenigen Dinge, die ich bisher auf das ängstlichste geheimgehalten und noch keinem Sterblichen Kund werden lassen, wie sie mir denn auch vor allen andern Haupt Stücken in diesser Kunst die grösste Mühe und Arbeit verursacht. Ich will aber hiermit alles getreulich und aufrichtig entdecken, so weit ich in diessen Punkt gekommen bin; und was ich hierinnen etwa hinführder noch erlerne, auch nachhohlen. Es ist aber bekanndt, dass die gemeinen porcellan-Macher ihre Glassur aus Zinn, — Bley, Sand und einem gewissen Fluss-Saltz, z. B. Spanische Soda oder Pottasche u. dergl. zusammensetzen und schmeltzen. Noch lange nicht so kostbar geht es bey der Verglasung des jedoch alle kostbarsten und feinsten Porcellans zu. Dieses leidet kein Zinn, kein Bley, kein Saltz, es sey so kostbar es wolle. Es stösst es in dem heftigen Brennen, als es zu seinem Brennen erfordert, von sich, und vereinigt sich nicht damit. Es verlangt gleichsam nur denjenigen Körper zu seiner Bekleidung und Ueberziehung, von dem es kürtz vorher bey der Preparation der porcellan-Erde geschieden worden. Naeml. derjenige, nach der § 8 u. 9 angeführten Schlemmung oder Abspühlung des zärteren Theils, auf dem Boden des Abspühl-Gefässes als der gröbere und schwerere Theil zurückgebliebene Sand, ist, welches wunderbahr, in dem es sonst ohnedem hinweggeworffen werden müssen, das vornehmste Ingrediens zur Glassur. Diesser Sand nun, den ich § 10 so sorgfältig aufzuheben verlangt, wird auf das zärteste, als man immer kann, klar gemacht, so dass man zwischen den Fingernägeln nicht das mindest Körnlein mehr fühlen kann, er auch wenn man etwas davon zwischen die Zähne nimmt, und kauet, er nicht im mindesten mehr knirsche. Weil hier auf unter anderm vornehml. den schönen Glantz und Fluss der Glasur ankömmt. Bisher habe ich diesse Absicht zu erhalten mich einer besonderen Kiesselsteinernen Hand Mühle bedient, in welcher der Sand mit etwas Wasser geschüttet, und von einem Kerl den gantzen Tag umgetrieben worden. Weit bequemer aber kann diesses auch eine vom Wasser getriebene Glass-Mühle, wie bey den gemeinen Porcellan Machern geschieht. Welche Art der Zartmachung allso, da sie sich in jeder Vorstellung und nach eigenem Belieben selbst invertieren kann, sie auch bereits gemein ist, ich nicht nöthig habe weiter zu beschreiben.
NB. Es muss derjenige, der den Sand klar mahlt oder über das Mühlwerk bestellt ist, aber nicht Wissen, was gemahlen wird. Daher man ihn, ein Handwerk zu machen, übrigens aber eine andere Person, auf dessen Treue und Verschwiegenheit man sich im höchsten Grad verlassen kann, die Beschickung der Mühle anzuvertrauen.


Buntbemalte Anbietplatte und Terrine
Leuchter, bunt bemalt mit Rocaillen

§. 15. Jedoch diesses auf vorbeschrieben Art (§. 14) erhaltene klare Sand-Pulver macht es allein nicht aus. Es zeiget zwar wohl die Möglichkeit und den wissentl. Vorzug zur Glassur, aber es ist nicht genug. Es giebt dem Porcellan Körper wohl einen Glantz, es ist aber, wie man wohl sieht, noch zu mager, und streng flüssig; und vereinigt sich auch nicht gantz mit den Scherben. Es muss auch die Kunstfertigkeit noch etwas zu thun finden, damit das Porcellan zu  machen nicht zu leicht und zu gemein würde. Es fehlte näml. noch der so genanndte Fluss zu diessem Grund-Körper der Glassur; und diesser konnte gewiss nicht ohne grosse Mühe gesucht und ausgeforscht werden. Unzähliche Versuche mussten deswegen angestellt und fast alle Körper untersucht werden. Allein wer hätte glauben sollen, dass er in einer so schlechten auch der Hauptmaterie so nahe befindl. Sache zu finden, da die Vermuthung auf weit andere und kostbarere Vorfälle. Es befindet sich naeml. an eben dem Gebürge, wo die Porcellan-Materie vorhanden, ein weisslicher Thon, bisweilen als eine besondere, meist aber schwache Erdlage, bisweilen als ein Steinmark zwischen dem Sandstein, ja bisweilen gar in dem Sandstein, der zum Porcellan taugl. wie Nester oder Lebern besonders eingewachsen. Die Thongräber suchen ihn auf und verkaufen ihn zu einigem Gebrauch, in dem er vor die Töpfer nicht dienet. Und diesses ist der Fluss in der Glassur, und wird damit allso versetzt; Man nimmt des nach §14 preparierten, zarten Sandmehles, 4 Theil, z. B. 4 oder Qu; von weissem Königseer Thon aber 1 Theil z. B. 1 oder Qu; stampfet den letzteren etwas klar, weil er trocken genommen werden muss, thut es zu jenem dem Sand-Mehl, giesst nur so viel rein Wasser darauf, dass es einer dicken Suppe gleich werde, rührt und arbeitet es mit einer Hand oder einem andern Instrument wohl untereinander, und schüttet es alsdann in die Hand — oder andere Mühle, und lässt es einen halben Tag ohngefehr zusammen mahlen, damit es recht untereinander komme, zapfet es alsdann ab und schüttelt oder zwingt es durch ein klares Haar Sieb in ein untergesetztes Gefäss, damit der Unrath zurückbleibe. Dann wird nach und nach so viel rein Wasser hinzugegossen, bis es seine gehörige consistenz erhalten und weder zu dünn noch zu dick sey; welches man so eigentl. hier nicht bestimmen kann, sondern die Erfahrung geben muss. Man probiert aber diesses Gemenge durch ein hineingetauchtes Stück oder Scherbe Porcellan Masse, das vorher geglüht worden. Legt es sich an dasselbe ohngefehr eine Messerklinge stark an, so wird es beynahe recht, das ist weder zu schwach oder zu dick seyn. Ich habe auch befunden, dass es nicht undienlich, und die Glassur sonderl. einen grösseren Glantz erhalte, wenn man diesser composition ohngefehr 1/32 sehr klar geriebene und geschlemmte Magnesie beysetzt, das also des subtilen Sandmehles 32 ,   des weissen Thons 8 und der klar gemachten Magnesie 1 oder auch wohl nur 1/2 werde. Es muss aber hierauf das damit überzogene Porcellan sehr wohl und heftig gebrannt werden, damit sich das gelbe Farb-Wasser der Magnesia verzehre, und das Porcellan weiss werde. Doch ist diesse Versetzung der Glassur mit Magnesie aber nicht so absolut nöthig. Diesses wäre allso auch von der Zubereitung und Zus.ammensetzung der Glassur, worin ich aber noch viel zu erlernen hoffe, welches ich aber ebenfalls getreulich nachhohlen, und communicieren will.
Dann beschreibt er das Verglühen der Ware und fährt fort:
§. 17. lst die Wahre allso nach § 16 gehörig geglüht, so wird sie, nachdem solche aus dem, Ofen herausgenommen, mit besonderen Porstwischern abgespatzt, das ist, die Asche und Staub rein davon abgekehrt, von den Mahlern mit blauem aus franz. Kobold, Sand und Pottasche geschmolzenen und sehr zart gemahlenen oder geriebenen Glass, oder auch wohl nur mit blossen aber sehr fein vorher calcinierten und auch sehr zart geriebenen Kobold gehörig nach ihrer Kunst bemahlet, und alsdann Verglasst, oder in die §15 beschriebene Glassur eingetaucht. Wobey man dann vornehml. dahin zu sehen, dass die Glassur fein egal und nicht zu dick noch zu dünne auf die Scherben zu liegen komme. lst allso die Wahre durch das Eintauchen gehörig Verglasst, oder mit Glassur überzogen, wird sie eine Zeitlang zum Abtrocknen in die warme Stube gestellt, alsdann wieder vorgenommen, die Füsse und Böden mit einem Messer abgeputzt, oder die Glassur davon herabgeschabt, damit sie hernach beim Brennen nicht auf dem Boden, wo sie hingestellt wird, anschmeltze; auch die etwa hie und da befindl. Ungleichheiten als Tropfen und Streifen ebenfalls mit einem kleinen Messer hinweggenommen, und mit der übrigen Glassur in eine Gleichheit gebracht; ingl. die etwa noch vorkommenden leeren Flecke, wo keine Glassur hinkommen, angebessert, oder mittels eines kleinen Pinsels auch mit Glassur beschmiert, und das Ueberfiüssige abgerieben. Alsdann die Wahre nach einander auf ein besonder Brett gestellt, so ist sie zum Einsetzen in den Ofen und Brennen fertig.
Der dritte Abschnitt behandelt das Brennen des Porzellans.
§. 18. Bey dem Brennen des Porcellans kömmt wieder vor
1) der Ofen, in welchem ,
2) die Art und Weisse wie es gebrannt wird.
Allein, da ich in diessen Punkte die Schwierigkeiten noch nicht alle überwunden, in dem sowohl der Ofen dessen ich mich bisher bedienet, gleichsam nur ein Probier-Ofen, und wie ich unterdessen erlernt, sehr viel daran zu verbessern, auch ehe der neue grosse Ofen erbaut wird, vorher noch einige Versuche angestellt, und besonders die horizontale Direction der Flamme auf das Porcellan probiert werden muss, weil sie einen Vorzug vor der perpendiconalen Richtung, die bisher appliciert worden, zu haben scheint, sondern auch in Ansehung des Brennens selbst noch ein oder das andere abzuwarten und zu erlernen; so kann ich jetzo diesses Hauptstück der Porcellan-Fabricatur nicht gäntzlich exhaurieren. lch verspreche aber hierdurch, dass ich, sobald als damit zur Richtigkeit komme und die Berge vollends überstiegen, ich alles aufrichtig entdecken, den Ofen beschreiben, auch dessen Risse beylegen und endl. alle Vortheile die beym Brennen in Acht zu nehmen, ordentl. und genau bestimmen will. Indessen aber soll jedoch das Vornehmste, was überhaupt zu wissen nöthig, in folgenden Regeln hier angeführt werden.
Wir müssen es uns versagen, alle diese „Regeln“ hier wiederzugeben. Genügen mag die Feststellung, daß er schon in Kapseln brennt. Das vielumstrittene Geheimnis, woher er die feuerbeständige Erde zu diesen Kapseln bezogen hat, enthüllt er hier mit den Worten:
Die Erde, die sich bisher noch am Besten dazu legitimieret, ist die bey Küpfendorf ohnfern Coburg befindl. schwartze Thon Erde. Es werden aber die  Capseln viel besser und dauerhafter, wenn man der frischen Küpfen-Dorfer Erde so viel von dem schon gebrannten, zerbrochenen, klar gestampften und durchgesiebten Capseln zusetzt, als es nur leiden will, um sich auf der Scheibe tractieren zu lassen. Ich habe auch befunden, dass wenn man diesser composition noch etwas des allhier am so genanndten Sommerberg sich befindl. schwartzl. Thons oder Letten etwa den 8ten oder 10 zehnten Theil zusetzt, und wohl durcheinander arbeiten und treten lässt, die Capseln eine besondere Zähigkeit und Festigkeit erhalten, dass sie nicht so leicht zerreissen und brechen.


Zwei Putten: Frühling und Herbst                              Kreuzigungsgruppe zirka 50 cm hoch
zirka 90 cm hoch
                                                                                                    

Dann beschreibt er, wie die „Porcellan-Wahre“ in die Kapseln auf feinen Sand gestellt wird, damit es nicht „anbäckt“. Die Kapseln werden darauf in den Ofen so aufeinander geschichtet, daß die Feuerflamme sie allenthalben umstreichen kann. Die untersten Zug- und Luftlöcher dürfen nicht zugesetzt werden, damit das Feuer freien Zugang behält. Die oberen Kapselschichten aber, wo die Luft- und Zuglöcher des Ofens in den Schlot münden, wird mit einer Schicht guter Erde oder Kapseldeckel und Scherben belegt, damit „das Feuer durch dieselben nicht so gerade hinausfahren kann, sondern erst seitwärts ausbrechen und alles durch die Kapseln und den Ofen herumgehe und dadurch seine Wirkung desto besser beweisen muß“. Schließlich wird der Ofen innen zugelegt und von außen zugemauert, dann endlich wird das Feuer angemacht. Sechs Stunden wird es „gelind“ unterhalten, von dann aber immer heftiger angeschürt. Wird der Ofen von innen glühend rot, verstärkt man das Feuer so sehr man kann, besonders noch mit kleingespaltenen, dürren oder gar vorgewärmtem Holz. Mit dem heftigen Feuer wird fortgefahren, bis das Porzellan „weiß, glatt und glänzend  satt ist. Dieses Resultat hat er nach 3 x 24 Stunden des heftigsten Feuers aber „doch nicht allemal“ erhalten.
Mit einem „Soli deo gloria“ schließt die Abhandlung, die er jedenfalls für den Fürsten Johann Friedrich zu Schwarzburg-Rudolstadt niedergeschrieben hat. Wohl hatte der Fürst schon im jahre 1760 Probestücke der Macheleidschen Erfindung erhalten und ihm und seiner Gesellschaft am 4. Oktober 1760 das Privileg zur Porzellanerzeugung erteilt. Aber aus dem vorliegenden Manuskript geht doch deutlich hervor, daß die Versuche, selbst im Jahre 1762 noch nicht ganz abgeschlossen waren, denn Macheleid spricht in §18 ja ausdrücklich von seinem Ofen, der „gleichsam nur ein Probierofen“ sei, an dem er noch sehr viel zu verbessern habe, und daß er noch neue Versuche anstellen wolle „ehe der neue große Ofen erbauet wird“. Um so überraschender ist der schnelle Aufschwung, den die Fabrik in den darauffolgenden Jahren genommen hat. Von Sitzendorf war die Fabrik nach Volkstedt bei Rudolstadt verlegt worden, und im Jahre 1767 übernahm der Kaufmann Christian Nonne aus Erfurt, als Pächter, die Leitung der Fabrik. Macheleid schied mit einer Pension, die ihm vom Fürsten auf Lebenszeit bewilligt worden war, aus, und nahm seinen Wohnsitz in Schwarzburg, wo er am 7. März 1801 gestorben ist.
Über die Künstler und Arbeiter der Fabrik kann hier aus Raumgründen nicht eingehend berichtet werden, ebensowenig über die große Mannigfaltigkeit ihrer Erzeugnisse. Wir beschränken uns auf eine bildliche Wiedergabe einer Reihe hervorragender Stücke, die sich sämtlich im Thüringer Museum zu Eisenach befinden, um gelegentlich auf die künstlerische Arbeit der Volkstedter Fabrik zurückzukommen.
Die Marke der Fabrik bildete zuerst die einfache Gabel aus dem Wappen der Fürsten von Schwarzburg. Dann folgte die Doppelgabel, die der geschäftstüchtige Pächter Nonne bereits Ende der 60er Jahre anwendet, wohl in der sicheren Annahme, daß seine Marke mit den sächsischen Kurschwertern der Meißner Fabrik verwechselt werden würde. Als die Kursächsische Regierung dagegen einschritt, fügte er seiner Marke einen Querstrich an (Mf. 14 u. 15). Sehr genau aber nahm er es damit doch nicht, und da immer wieder Anstände kamen, nahm er die einfache Gabel wieder auf, zeichnete seine Waren aber auch mit einem R blau unter Glasur, wie sie auf der Markentafel wiedergegeben ist.  

(1) Die Porzellanfabrik zu Volkstedt im 18. Jahrhundert von Wilhelm Stieda, Leipzig, Verlag v. s. Hirzel, 1910.

Hinweis:
Die originale Schreibweise ist teilweise etwas eigenwillig, wurde aber übernommen — ein buchstabengenauer Abgleich ist noch nicht erfolgt.



Thüringer Jahrbuch 1929
28. Jahrgang des „Thüringer Kalender“
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Herausgegeben von Oberbürgermeister - Dr. Scheffler - Gotha
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25. Jahrgang (1929) • Auszug der Seiten 41 - 53
© 2011