Die Herstellung von liniendekorierten Kantinengeschirrs ist bereits für die Kaiserliche Marine (Preußens) belegt. Die Dekorationspraxis wurde nach der
Gründung der Reichsmarine fortgesetzt; gemarkt wurde es mit dem Weimarer Adler sowie einem M und ggf. einer Jahreszahl. Im Juni 1935 wurde die Reichsmarine umbenannt zur Kriegsmarine; auf die Markung des Marineporzellans hatte sich dies allerdings erst verzögert ausgewirkt und wurde kriegsbedingt 1943 nochmals geändert. Die behördliche Abnahmemarkung auf der Scherbenunterseite des Kantinengeschirrs war:
- bis Ende 1936: Weimarer Adler mit einem M darunter sowie ggf. einer Jahreszahl [und meist mit Herstellerstempel] (siehe Bild rechts, linkes Symbol),
- ab 1937 bis 1942: Kriegsmarine-Adler mit einem M darunter sowie ggf. einer Jahreszahl [und meist mit Herstellerstempel] (siehe Bild rechts, rechtes Symbol),
- ab 1943 bis 1945: i.d.R. kein Behörden-/Abnahmestempel mehr [mitunter aber noch Herstellerstempel].
Beliefert wurden neben den Marinekasernen vor allem die Schiffe und U-Boote, aber auch die Ausbildungssätten für Offiziere oder die Marineverwaltungskantine.
Ab 1940 galt im Deutschen Reich ein Goldverarbeitungsverbot für die Porzellaninustrie, so dass Gold nicht mehr für Dekorationszwecke verwendet werden durfte. Im Jahr 1942 kam es zu Überschneidungen: Es wurde das einlinige Liniendekor eingeführt und es wurde begonnen Porzellanteile ohne als auch mit Abnahmemarkung auszuliefern.
Kantinengeschirr für die Kriegsmarine wurde nach Mitte 1935 auch weiterhin und teils auch mit Farblinien - meist auf der Glasur dekoriert - hergestellt. Noch 1944 wurde in den Inventarlisten - Allgemeines Gerätesoll - für U-Boote die Farblinie bei Kantinenporzellan für höherrangige Marinedienstangehörige benannt; beispielsweise
U-874 von 1944. Die Linienfarben entsprechen einem Farbcode und stehen für jeweils eine Gruppe von Dienstgraden bei der Kriegsmarine. Dabei gilt:
- Grün | Mattgrün | Seladongrün:
Unteroffiziere mit Portepee [entspricht Oberdeckoffizier (Oberbootsmann, Obersteuermann etc.)].
- Rot | (Rot-)Braun | Eisenrot:
Offiziere [entspricht Deckoffizierleutnant, Leutnant zur See, Oberleutnant zur See, Kapitänleutnant, Korvettenkapitän, Fregattenkapitän, Kapitän zur See].
- Golden+Schwarz | Gelb+Dunkelblau | Marineblau:
Admiralität [entspricht Großadmiral, Generaladmiral, Admiral, Vizeadmiral, Konteradmiral, Kommodore, Flaggoffizier].
- Ohne Liniendekor:
Mannschaft/Matrosen und Unteroffiziere ohne Portepee.
Bislang sind 7 Porzellanfabriken identifiziert, die Kantinenporzellan mit Farblinien/Farbrand mit Kriegsmarine-Abnahmemarkung, und damit für die Kriegsmarine hergestellt hatten.
Linienfarbe(n)
Zeitfenster
Porzellanfabrik (Ort)
Goldener/
Schwarzer
3-liniger
Dekor
1935 - 1939
Gelber/
Dunkelblauer
3-liniger
Dekor
1940 - 1942
Seladon-
grüner
einliniger
Dekor
1942 - 1945?
(Rot-)
Brauner
einliniger
Dekor
1942 - 1945?
Marine-
blauer
einliniger
Dekor
1942 - 1945?
Undekoriert
1935 - 1945?
Anmerkungen zur Tabelle:
Diese Tabelle ist derzeit als unvollständig anzusehen.
?!? - Nachweis fehlt bislang, aber Herstellung denkbar.
1 - Es gibt die Ausführung der Dekorlinie sowohl unter als auch auf der Glasur.
2 - Neue Form, kein dickwandiges Kantinengeschirr – Geschirrformname bislang unbekannt.
3 - Siehe unten: Windischeschenbach, Oscar Schaller & Co.
4 - Belegstück bislang nicht gesichtet.
5 - Neue Form, kein dickwandiges Kantinengeschirr – Geschirrformname bislang unbekannt.
Kantinengeschirr ohne Liniendekor, also Weißware, wurde von vielen weiteren Porzellanfabriken für die Kriegsmarine hergestellt. Geschirr mit Farblinien/Farbrand ist von diesen Porzellanfabriken (bislang) nicht bekannt. Diese waren:
- Bayerische Ostmarkt
-
- Sachsen
-
- Thüringen
-
- Niederschlesien
-
- Sudetengau
-
Weiter gibt es auch noch Kriegsmarine-gemarktes Kantinenporzellan ohne eine Herstellermarke; eine Zuordnung zu einer Porzellanfabrik ist nur in seltensten Fällen möglich, wenn sich beispielsweise eine firmenspezifische, ins Porzellan gepresste Formnummer findet.
1 Von 1939 ist auf der Geschirrform SANSSOUCI (kein Kantinenporzellan sondern feines Gebrauchsgeschirr) eine Kriegsmarine-Markung mit weiterem Schriftzug Friedrich Sperling ~ Kiel ~ bekannt.
2 Von Tielsch existiert für 1943/1944 Kantinengeschirr mit rotem und blauem einlinigen Liniendekor ohne Kriegsmarinemarkung.
Weitere Porzellanmarkungen
Darüber hinaus finden sich heute noch Kantinengeschirre, welche eine untypische Markung erhalten hatten. So gibt es Doppelstempelungen mit MdA-SdA (Modell des Amtes - Schönheit der Arbeit) und Kriegsmarinestempelung, Wehrmachtsadler mit M oder auch anderen Markungen mit Kriegsmarine und anderen Bereichen. Derartige Doppelstempelung wird gerne erklärt mit damaligen Lieferengpässen, was zu Umwidmungen führte; dies ist aber nicht belegt, sondern bleibt derzeit unbestätigt.
Als Legende entlarft
1. Dekor-Linien: Silber/Schwarz
Silberner/Schwarzer
3-liniger Dekor
Abrieb, unvorteilhafte Beleuchtung oder verkehrte Erinnerung
sind Ursache für diesen »Mythos«.
2. Verzicht ab 1943 auf Farblinien
Die teils verbreitete Annahme, dass bereits 1943 die Aufbringung einer Dekorlinie wegfiel um die Zahl der Arbeitsschritte und den Rohstoffeinsatz – kein Dekorbrand mehr – bei der Kantinengeschirrherstellung zu verringern, kann nicht bestätigt werden. Noch 1944 wurde in der Erstausstattungsliste für U-Boote (Allgemeines Gerätesoll) Kantinengeschirr mit Farblinie aufgeführt.
Adressbuch der Keram-Industrie (1937) 20. Auflage. Coburg.
Adressbuch der Keram-Industrie (1941) 21. Auflage. Coburg.