Eisenberger Porzellan • Vielfalt • Blaudekoration, unterglasur • Vom fleißigen Kinderhändchen der Winkelmaler zum stempelnden Akkordarbeiter der 1970er Jahre

Die Geschichte der Dekoration von Porzellan in Eisenberg (Sachsen-Altenburg, später Thüringen) ist in keinster Weise ungewöhnlicher als die anderer Porzellinerorte, bis auf in einer Sache: Die vergleichsweise späte Abschaffung der Winkelmalerei. Der anhaltende Mangel an Investitionen in aktuelle Fertigungstechniken und Brennöfen ergaben einen fortlaufenden Zeitversatz in Bezug auf die Konkurrenten im deutschsprachigen Raum. Möglicherweise war in Eisenberg Anlass für Investitionen vielfach die Qualitätssteigerung und Produktionsmengensteigerung, denn kostengünstig rekrutierbares Personal für einfache Tätigkeiten gab es bis Ende der 1960er Jahre.
Vielmehr spiegelt sie die sich wiederholende Firmengeschichte einerseits und andererseits die allgemeine Konsumenten­einschätzung zu Preis und Nutzwert von Gebrauchsporzellan wieder. Dass heute keine der 4 großen Porzellanfabriken mehr steht und produziert, erklärt sich wahrscheinlich aus verschiedenen Blickrichtungen am Besten.

1796

Heinrich Ernst Mühlberg bekam 1796 das Privileg der Porzellanherstellung von der Regierung des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg zugesprochen. Produziert wurde überwiegend Weißware und aufglasur dekoriertes Porzellan, seltener auch mit Scharffeuerfarben dekoriertes Geschirr. Nach einer wechselvollen Unternehmensführung einschließlich zweier Insolvenzen erwarb 1865 Friedrich August Reinecke die Porzellanfabrik, welcher ab Februar 1869 Namensgeber wurde. Hergestellt wurde hauptsächlich Gebrauchsgeschirr und Exportartikel auch mit Unterglasurmotiven wie Zwiebelmuster und Blaumodell. Ob ausschließlich auf dem Fabrikgelände dekoriert wurde oder auch in Heimarbeit, ist nicht überliefert, wahrscheinlich aber in der fabrikeigenen Manufakturmalerei.
Frühestens nach 1900 wurde das Strohhalmmuster eingeführt.
Speiseteller mit 24 cm Durchmesser und festonierten Rand, dekoriert mit Blaumodell bzw. Zwiebelmuster in Handmalerei ausgeführt und mit M.P.M.-Porzellanmarkenstempel

Blau Saks, 1869

Die Bezeichnung Blau Saks bezieht sich auf die Gründung der Porzellanfabrik von Ludwig Mehlhorn und Eduard Julius Jäger im Jahre 1869/70 in Eisenberg, als die Stadt Eisenberg noch zu Sachsen-Altenburg gehörte, welche 1881 von Eduard Mühlenfeld übernommen und schließlich 1911 von Wilhelm Jäger käuflich erworben wurde. Jäger verwendete für die blau unter Glasur dekorierten Geschirre teilweise die bereits gut eingeführte M.P.M.-Marke von ab ca. 1882 bis etwa 1939 weiter.
Die bekannt gewordene Marke »Original Blau Saks« in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (ab ca. 1960) sollte bewusst an die Tradition der Blaumalerei und des Exportgeschäftes dieser Porzellanfabrik erinnern, wenn auch in den ersten Jahren noch auf der Glasur gemalt und etwa ab 1880 unter der Glasur gemalt, — der »Blaue Sachse«. Die häufig wahrnehmbare Gleichsetzung mit Indisch-Blau ist sicher zu kurz gegriffen, vielmehr handelt es sich hier um einen reinen (werbewirksamen) Kunstbegriff, welcher die Tradition der Blaudekoration unter Glasur insgesamt umfasst und sich insbesondere im Exportgeschäft als vorteilhaft, weil alleinstellend, erwies.

Winkelmalerei

Mit dem Fabrikumzug und Einführen der Strohhalmmuster-Dekoration durch die Porzellanfabrik Kalk im Jahre 1900 erfuhr Eisenberg einen Einwohner- und Produktionszuwachs. Die Raumkapazitäten der Porzellanfabriken war annähernd nicht groß genug, um alle Dekormaler/innen auf dem Fabrikgelände zu beschäftigen.
Hinzu kam, dass durch die Heimarbeit, die sogenannte Winkelmalerei, die Fabriken Heizkosten und weitere Nebenkosten einsparen konnten. Heute würde man vermutlich von Scheinselbständigkeit sprechen und auch schon nach dem 1. Weltkrieg wurde diese Beschäftigungsart massiv kritisiert, weil das Hauptrisiko die Winkelmaler und nicht die Porzellanfabrik trug. Die Winkelmaler mussten die nach dem Schrühbrand noch sehr bruchempfindlichen Scherben der Porzellanfabrik abkaufen, auf eigene Rechnung dekorieren, also Pinsel, Farbe, Trennmittel usw. selbst beschaffen, und nach der Dekoration die Scherben wieder an die Porzellanfabrik zurückgeben und sich auszahlen lassen. Maler/innen wurden genötigt, Exklusivvereinbarungen abzuschließen und Fehldekorationen sowie Bruch durch den Transport oder während der Dekoration ging meist voll zu ihren Lasten. Da das Einkommen der Porzellanmaler oftmals sehr niedrig ausfiel, mussten deren Kinder schon sehr früh das Dekormalen erlernen und mithelfen. Im Adressbuch Eisenbergs von 1913 sind immerhin 12 Blaumaler/-innen verzeichnet (sowie 16 Dekorationsmaler/-innen und 74 Porzellanmaler/-innen), zwanzig Jahre später finden sich keine entsprechenden Einträge mehr, sicher nicht nur, weil die Eintragungspraxis sich geändert hatte, sondern vor allem deshalb, weil es keine selbständigen Blaumaler mehr gab.
Um ein einheitlicheres Aussehen der dekorierten Scherbenformen zu erreichen und auch die Position und Ausrichtung der einzelnen Dekorelemente besser sicherzustellen wurde als maltechnische Unterstützung mit dem zu dekorierenden Dekor durchstochene Stanniolfolie (Zinnfolie) aufgelegt und mittels Kohlestaub auf dem Scherben »vorgezeichnet«. Ob dies allerdings in Eisenberg routinemäig durchgeführt wurde, lässt sich anhand der dekorierten Geschirre nicht sicher erkennen; vielmehr wirken viele Geschirre, wenn überhaupt nur sehr grob, also die ungefähre Position bedeutender Dekorelemente vorgebend, vorgezeichnet bzw. sogar frei bemalt.

Handstempelung und Handmalerei

Nach dem 1. Weltkrieg wurde in weiten Teilen Deutschland die Winkelmalerei wegen der unzumutbaren Arbeitsverhältnisse und Beschäftigungssituation aufgegeben. Wann dies genau in Eisenberg geschah, ist nicht sicher. Wahrscheinlich wurde nicht vor 1924 auf Fabrikarbeit umgestellt, allerdings wurde der Dekor teilweise weiterhin handgemalt. Begründet wurde dies zwar als Verbesserung der Arbeitsbedingungen, jedoch wollte man mit dieser Maßnahme auch den anhaltenden Schwund an Halbfertigerzeugnissen verringern, welche nicht an die den Porzellan­scherben herstellende Porzellanfabrik zurückgeführt wurden, sondern anderweitig - ohne Marke - weiterverarbeitet und verkauft wurden und so einen Verlust für die Porzellanfabrik bedeuteten. Technisch unterstützt wurde dies mit der Entwicklung und Einführung von Dekorstempeln. Diese bestanden anfangs nur aus den komplizierten und daher fehleranfälligen und zeitaufwändigen Details, wie die Blüten im Motiv des Zwiebelmusters oder Indisch-Blau.
Bis Mitte des Jahres 1925 war diese Dekorationsart so weit etabliert, dass die Winkelmalerei eingestellt, die Winkelmaler teilweise entlassen und die verbliebenen Porzellane unter Androhung einer Klage von den Porzellanfabriken zurückverlangt worden waren. Durch die Stempelung der Porzellanmarke mussten die Porzellanfabriken den Schutz ihrer Marke sicherstellen und verhindern, dass Halbfertigerzeugnisse bzw. ungemarkte Fertigerzeugnisse aus dem Porzellanwerk herausgeschafft wurden. Schließlich waren die Erzeugnisse von guter Qualität.
Später, bis etwa Mitte der 1930er Jahre, konnten die Dekorstempel so vergrößert werden, dass ganze Geschirrformenflächen, wie beispielsweise Tellerspiegel, in einem Arbeitsgang dekoriert werden konnten. Der erhöhte Dekorationsgeschwindigkeit folgte ein personeller Abbau an gelernten Dekorateuren bzw. Porzellanmalern.
Als 1929 die Rauensteiner Porzellanfabrik die Porzellanherstellung einstellte, eröffnete sich für die Eisenberger Porzellanfabriken neue Marktchancen unterglasurblau dekorierten Porzellans - zumindest für die Zeit bis zum Beginn des 2. Weltkrieges. So wurden in den 1930er Jahren die gestempelten Muster komplexer: das Spiegelmotiv oder das Tassenaußenwandmotiv des Zwiebel­musterdekors sind Beispiele dafür.
Andererseits ging die Handbemalung des Porzellans weiter: beispielsweise wurde von der Porzellanfabrik Kalk ein Teeservice mit Delftmotiv oder ein Weinlaubmotiv der Porzellanfabrik Bremer & Schmidt oder ein Vogel-auf-Zweigmotiv von der Porzellanfabrik Jäger gefertigt. Das Qualitätsmerkmal der Handbemalung wurde teilweise unter der Porzellanmarke als Markenzusatz ausgewiesen.
Zwischen Herbst 1940 und Mai 1945 findet sich grundsätzlich kein Golddekor auf den sonst dekorierten Porzellanen sondern vielmehr eine meist orange-braune (lüsterne) Randverzierung, da für die Porzellanindustrie ein Goldverarbeitungsverbot bestand.
Nach dem 2. Weltkrieg konnte die Porzellanherstellung fast unmittelbar wieder aufgenommen werden, da weder die Porzellanfabriken noch die sonstige Infrastruktur nennenswert beschädigt oder zerstört war. Erst jetzt bzw. nach der Gründung der DDR wurden Vollstempel zur unterglasurblauen Dekorierung verwendet und dafür die diesbezügliche Handmalkunst aufgegeben. Indes wurden Halbautomaten erstmals Ende der 1960er Jahre zur Porzellanherstellung von Teller oder Tassen eingesetzt.

Akkordarbeit

Akkordarbeit setzt einen entsprechend großen und effektiven Herstellungsprozess voraus, da es möglichst zu keinen Unter­brechungen oder Herstellungsstau kommen sollte, sondern zu einem gleichmäßigen Durchsatz und einer gleichbleibenden Qualität. Dies führte bereits ab 1960 zu Unternehmenszusammenschlüssen in Eisenberg, um einerseits ausreichend Weiß­porzellan fertigen zu können und andererseits eine gute Auslastung der akkordarbeitenden Dekorateure zu erreichen. Da jedoch in Eisenberg die Porzellanfabriken an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet verteilt lagen und nur zögerlich und viel zu spät in innovative Fertigungstechniken investiert wurde, fehlte die entsprechende Fertigungs- und Wegeinfrastruktur und es überwog weiter die Handarbeit bei vielen der Fertigungsschritte bei der Herstellung der Porzellan­geschirre. Größte Engstelle in der Fertigung waren die Rundöfen zum Porzellanbrand, da die Brennkammer einerseits nur sehr kompliziert durch einen kleinen Zugang bestückt werden konnte und die Qualität der gebrannten Ware oft niedrig ausfiel, weil sich die Brenntemperatur nur befriedigend steuern lies. Abhilfe hätte hier nur die kostenintensive Anschaffung eines Tunnelofens gebracht, doch diese erfolgte nie. Die Investition hätte allerdings auch einen neuen Produktionsstandort vorausgesetzt, da die vorhandenen Werksgelände jeweils zu klein waren.
Die unterglasurblauen Dekore wurden weiter handgestempelt und dadurch war eine optisch gleichbleibende Qualität nicht erreichbar. Unterschiedliche Blaufärbungen, von hellblau über sattblau bis blauschwarz, von blassen bis übersättigten und von scharfbegrenzten bis verschwommenen Linien und deutlich wahrnehmbaren Positionsabweichungen (Gefäßkörper, Tellerfahne und -spiegel), all dies findet sich oft sogar bei einem Service - sortiert wurde jenseits der 1. Wahl anscheinend nur sehr grob. Die unterschiedliche Qualität stand in einem zunehmenden Gegensatz zum Warenangebot der Konkurrenz und auch der niedrige Verkaufspreis konnte hier auf Dauer nicht wirken und die Marktanteile sanken von Jahr zu Jahr. Der zunehmende Fachkräftemangel beschleunigte den zeitlichen Ablauf des Niedergangs schließlich auch noch, da es genug Arbeitsplätze in moderneren Porzellanfabriken in Thüringen gab.

Das Ende kam 1991

Indisch-Blau mit Halbspitz und Goldrand dekorierte Tasse der Form 420 der Porzellanfabrik <span lang=Kalk in Eisenberg/Thüringen, um 1960" />
 
Die Geschirrform stammt aus der Zeit von vor 1935 und der Dekor ist für die Zeit ab etwa 1958 nachgewiesen und wurde bis mindestens 1991, zuletzt von der Porzellanfabrik Kahla, hergestellt.
Der anhaltende Investitionsstau, ob neue Massemühle, Brennöfen oder verbesserte Produktionstechniken, wie Automaten für die Teller- oder Tassenherstellung sowie Dekorstempelung oder Stahldruckverfahren, führte schließlich zur Stillegung der einzelnen Eisenberger Porzellanwerke, nachdem diese ab 1968 bis 1972 vollständig verstaatlicht und im VEB Porzellanwerke Kahla, Zweigstelle Eisenberg (Spezialporzellan Eisenberg) zusammen­geschlossen worden waren.
Die Produktlinien wurden verschlankt, die Produktionskapazitäten zur Herstellung von Weißware und auf der Glasur dekorierter Ware wurde optimiert und verschiedene Dekorlinien auf andere Porzellanwerke des Kahla-Kombinats beschränkt, wie beispielsweise Zwiebelmuster oder Indisch-Blau.
Die Nachrüstung oder ein Neubau waren nicht rentabel genug, da die innerorts liegenden Fabrikflächen für eine Massenfertigung zu klein waren und die Rauchbelastung der Schornsteine zunehmend auf Widerstand stießen. Selbst die aufwändige Dekorationsarbeit per Hand lohnte immer weniger, da die Absatzmärkte hierzu fehlten und gleichzeitig die Kosten zu hoch lagen. Als letztes Werk wurde Ende der 1980er Jahre die Anlage in der bahnhofsnahen Werkstraße aufgegeben. Veraltete technische Ausstattung und der Faktor Personalkosten führten zu dieser Entscheidung und schlossen das fast 200-jährige Kapitel Porzellanstandort Eisenberg. Zeitgleich mit dem Verschwinden der Porzellanindustrie aus Eisenberg ging auch ein allgemeiner Abschwung der Bedeutung der Stadt in der Region einher, von dem sich die Stadt bis heute nicht erholt hat.

Der Charme der Handdekoration, insbesondere der Blaumalerei, ist gegenüber der heute üblichen Drucktechnik, eines der Hauptargumente für Liebhaber älterer Stücke. Dank der Tatsache, dass die Eisenberger Porzellanfabriken Porzellanwaren in sehr großen Stückzahlen (teilweise um 2.000 t pro Jahr) gefertigt hatte, finden sich heute noch viele Teile auf dem Second-Hand und Antiquitätenmarkt.
 
© 2011